Die neuen Ahnungslosen

US-Repräsentantenhaus verbietet therapeutisches Klonen

Das US-Repräsentantenhaus hat am 31. Juli entschieden, menschliches Klonen selbst in der Form des Klonens von Embryos zur Produktion von Stammzellen für die medizinische Forschung zu verbieten. Diese Entscheidung ist sowohl Ausdruck einer Anpassung an religiösen Aberglauben als auch von irrationaler Angst vor dem wissenschaftlichen Fortschritt.

Mit 265 zu 162 Stimmen verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das David Weldon, ein Republikaner aus Florida, eingebracht hatte. Zuvor hatte es ein weniger weitreichendes Verbot, vorgeschlagen vom Republikaner James Greenwood aus Pennsylvania, mit 251 zu 176 Stimmen abgelehnt. Das angenommene Gesetz, das auch die Unterstützung der Bush-Regierung hat, wurde mit den Stimmen von 63 Demokraten, zwei Unabhängigen und 200 Republikanern verabschiedet.

Beide Gesetzentwürfe, der von Weldon und der von Greenwood, sahen das Verbot des Klonens menschlicher Embryos zu Fortpflanzungszwecken vor - d.h. die Erschaffung von Babys als genetische Kopien anderer Menschen. Die Entwürfe nahmen dagegen einen gegensätzlichen Standpunkt zum Klonen von Embryos zum Zweck der medizinischen Forschung, d.h. der Produktion von Stammzellen, ein. Der Weldon-Entwurf verbietet solch therapeutisches Klonen und bedroht es mit bis zu zehn Jahren Gefängnis und einer Million Dollar Geldstrafe, während es nach dem Greenwood-Entwurf durch Lizenzvergabe der Bundesregierung erlaubt wäre.

Beim gegenwärtigen Stand der Biotechnologie ist das Verbot des Klonens zu Reproduktionszwecken überflüssig, weil die Klontechniken für diesen Zweck noch bei weitem nicht verlässlich genug sind und es wahrscheinlich auch noch jahrzehntelang nicht sein werden. Es wurde in den Gesetzentwurf aufgenommen, um seinen Befürwortern die Möglichkeit zu geben, angebliche Frankensteinmonster an die Wand zu malen und so vom eigentlichen Gesetzeszweck abzulenken, nämlich der Unterbindung des therapeutischen Klonens. So konnte durch die Hintertür ein Verbot der Forschung mit Stammzellen eingeschmuggelt werden.

Klontechniken sind aus zwei Gründen für die Entwicklung medizinischer Stammzellenforschung wichtig: das Klonen liefert stabileres Embryomaterial für die Stammzellenentnahme als gespendete Embryonen; und das Klonen macht es möglich, das Problem der Zurückweisung des Stammzellengewebes beim Patienten zu vermeiden, weil die Stammzellen aus der eigenen Haut des Patienten entwickelt werden können und daher genetisch zu ihm passen.

Die Bush-Regierung prüft zur Zeit, ob sie die geltende Begrenzung der Finanzierung des größten Teils der Stammzellenforschung aufheben, beibehalten oder verschärfen will. Zweihundert Abgeordnete des Repräsentantenhauses und 59 Senatoren haben in Briefen an das Weiße Haus die Finanzierung der Stammzellenforschung durch die Bundesregierung unterstützt. Am 30. Juli, einen Tag vor der Abstimmung über das Klongesetz, erklärte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Dennis Hastert, er sei gegen eine solche Finanzierung.

Das Antiklongesetz geht weit über diese Beschränkung der staatlichen Finanzierung hinaus, da sie im Endeffekt dieses gesamte Gebiet der wissenschaftlichen Forschung kriminalisiert. Die Firma Advanced Cell Technology aus Massachusetts hatte vergangenen Monat bekannt gegeben, sie werde mit dem Klonen menschlicher Embryos als Teil ihrer Forschung zur Entwicklung von Stammzellenlinien beginnen, um Heilmittel für Parkinson und andere Krankheiten zu finden. Das wäre nach dem neuen Gesetz verboten.

Das Gesetz verbietet nicht nur die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten auf der Grundlage von Stammzellen, es verbietet auch den Import aller Medikamente in die USA, die international mittels solcher biotechnologischer Forschungen entwickelt wurden. Sollten mit anderen Worten Wissenschaftler in Frankreich, Großbritannien oder Japan Behandlungen für tödliche Krankheiten, wie zum Beispiel für bestimmte Krebsarten, entwickeln, - was man sich von der Stammzellenforschung auch erhofft - dann würden die Medizinmänner auf dem Capitol Hill diese verbieten.

Die amerikanische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin hat den Weldon-Gesetzentwurf scharf verurteilt: "Er verbietet amerikanischen Wissenschaftlern, mögliche Heilungswege für Krankheiten wie Diabetes, Parkinson oder Rückenmarkserkrankungen zu entdecken. Wenn andere Länder solche Heilmethoden entdecken sollten, wäre es für amerikanische Patienten illegal, sie zu nutzen."

Während der sechsstündigen Debatte, die der Abstimmung vorausging, warnten mehrere Abgeordnete, die die Stammzellenforschung unterstützen, dass das Gesetz auf der Grundlage von Unwissenheit und Hysterie durchgepeitscht werde. Louise Slaughter (Demokratin aus New York) sagte: "Der Kongress spielt Wissenschaftler. Wir bewegen uns hier auf dünnem Eis."

James Greenwood, der Autor des alternativen Entwurfs, sagte: "Dies ist Nuklearwissenschaft auf der Ebene der Zellen, und fast keiner von uns 435 Abgeordneten versteht etwas davon." Der Weldon-Entwurf bewege sich auf dem Niveau des "die-Erde-ist-flach-Denkens", behauptete er. "Er ist wissenschaftlich unbegründet und gefühllos."

Der Republikaner aus Pennsylvania erklärte, dass die Befürworter des Weldon-Entwurfs grob die verfassungsmäßige Trennung von Kirche und Staat verletzten, wenn sie ihre religiösen Überzeugungen direkt in Gesetzesform gössen. "Ich bin als Politiker nicht bereit, mich ins Parlament zu stellen und zu sagen: ‚Ich habe einen philosophischen Grund, abgeleitet aus meiner Religion, der mich sagen lässt: Wissenschaft, du darfst das nicht, weil es meinen religiösen Glauben verletzt.‘"

Besonders bezeichnend bei der Abstimmung im Parlament war die Position von Bernard Sanders, des unabhängigen Abgeordneten aus Vermont, der sich selbst als Sozialist bezeichnet und normalerweise mit dem liberalen Flügel der Demokraten stimmt. Sanders bildete zur Unterstützung des Weldon-Entwurfs eine Allianz mit dem Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus,Tom DeLay, dem wichtigsten Führer der republikanischen Rechten.

Senator Sam Brownback aus Kansas, ein ganz rechter Republikaner, der ein ähnliches Antiklongesetz in den Senat eingebracht hat, äußerte sich lobend über eine mögliche "rechts-links Koalition", die christliche Fundamentalisten und Gentechnikgegner aus dem ökologischen Lager zusammenbringen würde. "Wir zimmern eine starke Koalition mit den Leuten der Grünen Partei, die die Kandidatur Naders unterstützt haben," sagte Brownback der Washington Post. "Das bewegt sich immer mehr aufeinander zu."

DeLay selbst appellierte in seiner Rede im Parlament zur Unterstützung des Weldon-Entwurfs ausdrücklich an "grüne" Gefühle. Er verurteilte therapeutisches Klonen und sagte: "Diese Technik würde menschliche Wesen zur Handelsware machen. Das Klonen behandelt menschliche Embryonen - die grundlegenden Elemente des Lebens selbst - als einfaches Rohmaterial. Diese ausbeutende, unheilige Technik ist nicht weiter als medizinischer Raubbau."

Diese Bemerkungen sind eine Kombination aus zynischer Demagogie und krasser Ignoranz. Die inhärente Logik des kapitalistischen Systems besteht darin, wie Karl Marx schon vor langer Zeit erklärt hat, "jeden Aspekt des menschlichen Lebens in eine Ware zu verwandeln". DeLay ist normalerweise ein eingefleischter Verteidiger dieses Prozesses.

Er ist gegen jede staatliche Beschränkung des Profitstrebens der Raubbau betreibenden Bergwerksgesellschaften, der Umweltverschmutzer und der Ausbeuter von Niedriglohn- und Kinderarbeit. Er unterstützt Bushs Pläne, das Schulwesen und die Sozialversicherungen zu privatisieren - was man, um seine Terminologie zu benutzen, als "Raubbau" an der Ausbildung und den Renten bezeichnen könnte. Erst wenn die Profitinteressen der Biotechnologieunternehmen mit den Tabus des christlichen Fundamentalismus in Konflikt geraten, entdeckt DeLay plötzlich die Ausbeutung.

DeLays neuer Verbündeter Bernard Sanders unterstützt die Stammzellenforschung, aber trotzdem stimmte er für einen Gesetzentwurf, der einen großen Teil der Arbeit auf diesem Gebiet unmöglich oder fruchtlos machen wird. In einer Erklärung seines Büros heißt es: "Ich mache mir Sorgen über die langfristigen Ziele einer immer mächtigeren und profitorientierten Biotechnologieindustrie."

Solche Sorgen sind legitim, aber auf dieser Grundlage ein politisches Bündnis mit der extremen Rechten der republikanischen Partei zu schließen, ist prinzipienlos und reaktionär. Die amerikanischen Grünen reagieren wie ihre europäischen Verwandten auf die ökologischen Gefahren, die von der anarchischen und ungeplanten wirtschaftlichen Entwicklung im Kapitalismus ausgehen, indem sie die Wissenschaft und die Technologie dafür verantwortlich machen und nicht das Profitsystem, das sie akzeptieren und verteidigen. Trotz seiner Lippenbekenntnisse zum Sozialismus geht Sanders einen ähnlichen Weg.

Der "progressive" Abgeordnete aus Vermont hat sich mit christlichen Fundamentalisten und halbfaschistischen Elementen zu einem Teufelspakt gegen die Wissenschaft und die Ausdehnung des menschlichen Wissens zusammengeschlossen. Ein gesetzliches Verbot der Biotechnologie-Forschung wird trotz Sanders‘ Rhetorik nur geringe Auswirkungen auf die Konzernprofite haben. Aber es ist ein schwerer Schlag gegen die Freiheit des Denkens und stärkt die antidemokratischen Kräfte in der amerikanischen Gesellschaft, die so offen in die Wahlen von 2000 eingegriffen und den Wählerwillen in sein Gegenteil verkehrt haben.

Sozialismus hat nichts mit rechter populistischer Demagogie oder mit Appellen an antiwissenschaftliche Vorurteile zu tun. Wirkliche Sozialisten streben an, den verderblichen Einfluss des Profitsystems auf die wissenschaftliche Forschung zu überwinden, nicht indem sie die Forschung unterdrücken, sondern indem sie die Industrie in öffentliches Eigentum überführen und demokratischer Kontrolle unterwerfen.

Das heißt, die Notwendigkeit der Verstaatlichung der Biotechnologieindustrie nachzuweisen - einer Industrie, die sowieso am Tropf des Staates hängt, wie die Kontroverse über die Finanzierung der Stammzellenforschung durch die Bundesregierung schon gezeigt hat. Das ist Teil des Kampfs, eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse gegen die republikanische und die demokratische Partei und das Profitsystem insgesamt aufzubauen.

Siehe auch:
Die Wall Street und die kommerzielle Ausbeutung des menschlichen Erbguts
(19. April 2000)
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