Osttimor und Kosovo: Indonesische Greueltaten enthüllen die Scheinheiligkeit der USA gegenüber den Menschenrechten

Vor nur einigen Monaten bemühten sich die US-Regierung und die amerikanischen Medien in einer massiven Propagandakampagne, den Krieg gegen Serbien als Kreuzzug für die Menschenrechte darzustellen. Die amerikanische und internationale Öffentlichkeit wurde täglich mit Berichten über Massenmord, Vergewaltigungen und Vertreibungen von Kosovo-Albanern durch serbische Truppen überhäuft. Der jugoslawische Präsident Milosevic wurde ständig mit Hitler verglichen.

Seitdem ist klar geworden, dass die Zahl der toten Zivilisten im Kosovo stark übertrieben wurde und dass die systematische Vertreibung der Albaner durch die serbischen Militärs - die auch willkürliche Angriffe gegen die Zivilbevölkerung beinhaltete - erst einsetzte, nachdem die USA und die NATO am 24. März mit den Bombenangriffen begonnen hatten.

Das angebliche Massaker an 45 kosovarischen Zivillisten in Racak am 15. Januar 1999 wurde von Clinton und Madeleine Albright als Casus Belli aufgegriffen und benutzt, um das Ultimatum von Rambouillet und den darauf folgenden Luftkrieg zu rechtfertigen. Ob es sich bei den Getöteten um Zivilisten oder um Guerillakämpfer der UCK handelte, ist immer noch nicht geklärt.

Aber eines ist klar, Racak und die folgenden Monate der Kriegsführung zwischen den serbischen Einheiten und der UCK sind gar nichts im Vergleich mit den Morden und Plünderungen, die das indonesische Militär und seine bewaffneten Milizen in den letzten Tagen begangen haben. Wenn der Begriff "ethnische Säuberung" überhaupt irgendeine Bedeutung hat, so gilt er für die Reaktion Indonesiens auf das Ergebnis des von der UNO finanzierten Referendums in Osttimor im letzten Monat, in dem sich eine überwältigende Mehrheit (78%) für die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte.

Buchstäblich alle Berichte stimmen überein, dass von der 800.000 Menschen umfassenden Bevölkerung Osttimors ungefähr 200.000 zur Flucht gezwungen wurden und Schutz in den Bergen suchen mussten, und weitere 100.000 entweder geflohen sind oder nach Westtimor deportiert wurden, wo sie in Lagern festgehalten werden, die von Milizen mit Unterstützung der Armee bewacht werden. Offiziellen Vertretern des Westens oder Reportern wird der Zugang zu diesen Lagern verweigert, und es gibt Berichte, wonach Insassen von ihren Bewachern erschossen wurden. Anderen Berichten zufolge wurden Tausende von Bürgern Osttimors auf weiter entfernt gelegene indonesische Inseln deportiert.

Dili, die Hauptstadt Osttimors, ist in eine rauchende Ruine verwandelt geworden. Schätzungen über die Anzahl der getöteten Zivilisten schwanken zwischen 600 und 7.000 Personen. Priester, Nonnen und Angehörige der Vereinten Nationen wurden von den Milizen ermordet und Lager der Vereinten Nationen angegriffen.

Selbst während Clinton und andere führende Politiker des Westens, die sich im Rahmen der APEC-Konferenz in Neuseeland trafen, mit der indonesischen Regierung und Vertretern des Militärs verhandelten, hielten die Massaker an. Das letzte fand am vergangenen Sonntag in Dare statt, in einer Stadt mit katholischem Priesterseminar nahe Dili, in der Zehntausende von Flüchtlingen Schutz gesucht hatten.

Die Reaktion der US-Regierung auf dieses Blutbad bietet eine augenfällige Widerlegung des Lügengebäudes, das zur Rechtfertigung der Bombardierung Serbiens konstruiert wurde, und ganz allgemein der Behauptung , dass die amerikanische Außenpolitik von humanitären Erwägungen bestimmt wird. Sie sollte all denen eine Lehre sein, die der Propagandakampagne von NATO und USA geglaubt und den Krieg auf dem Balkan unterstützt haben.

Es geht hier nicht um die Unterstützung von Forderungen nach einer militärischen Intervention des Westens in Osttimor. Das heutige Desaster in Serbien und im Kosovo sollte jeden von der Vorstellung heilen, dass die Menschen in irgendeinem Teil der Welt ihr Schicksal den Repräsentanten des Weltimperialismus anvertrauen können. Im Gegenteil, die gegenwärtige Krise in Osttimor unterstreicht, dass die USA und ihre Verbündeten bei sämtlichen Interventionen im Namen von Frieden und Demokratie nur zynisch ihre Großmacht-Interessen verfolgen.

Am 8. September, vier Tage nach Beginn des Wütens in Indonesien, sagte Clintons nationaler Sicherheitsberater Samuel Berger, dass die USA keine Druckmitteln gegen die indonesische Regierung anzuwenden plane, falls die Gewalt weiter anhalte. "Dass wir im Kosovo bombardiert haben heißt nicht, dass wir Dili bombardieren sollten", bemerkte er geistreich. Berger sagte: "Es ist keine Frage von Drohungen" und bestand darauf, dass die USA eine von Australien geführte "friedenserhaltende" UN-Mission nur dann unterstützen würden, wenn sie vom indonesischen Präsidenten B.J. Habibie nach Osttimor eingeladen würde.

Berger stellte die "humanitären Probleme" in Osttimor den "starken strategischen Konsequenzen und Folgen für die Sicherheit", die im Kosovo auf dem Spiel standen, gegenüber. Er machte keinen Versuch, diese Erklärung mit der diametral entgegengesetzten Linie, die im Krieg auf dem Balkan der Öffentlichkeit gegenüber vertreten wurde - dass die Bombardierungen aus moralischen und nicht aus geostrategischen Gründen erfolgten - in Einklang zu bringen. Offensichtlich konnte er seinen Zynismus nicht beherrschen, denn er fügte hinzu: "Wissen Sie, meine Tochter hat am College ein sehr unordentliches Zimmer. Vielleicht sollte ich nicht intervenieren, um das aufgeräumt zu haben."

Er und andere offizielle amerikanische Vertreter sagten, sie seien überzeugt, dass General Wiranto, der Kopf des indonesischen Militärs, nicht die Gewalt steuere.

Amerikanische Presseberichte über die Gräueltaten in Osttimor waren gedämpft und vorsichtig. Keine kriegstreiberischen und die angeschuldigte Regierung verteufelnden Aufmacher, wie bei der vorherigen Berichterstattung über den Kosovo. Die New York Times stellte am 9. September mit Sympathie fest, dass Washington nicht mit der Einstellung der Hilfe für Indonesien drohen wolle, denn unter anderem "könnte dies auch amerikanischen Unternehmen, die große Investitionen in Indonesien getätigt haben, Schaden zufügen".

Erst nachdem führende Politiker Australiens und anderer Länder das amerikanische Schweigen verurteilt hatten und auch zuhause Proteste laut geworden waren (der Kongressabgeordnete der Demokratischen Partei Barney Frank sagte, die US-Politik sei "fast eine Einladung an die Indonesier, Menschen zu töten"), äußerte sich Clinton, verdammte die Massaker und verlangte von Jakarta, dem Blutbad Einhalt zu gebieten.

Am Donnerstag und Freitag vergangener Woche schloss er sich anderen Staatsoberhäuptern und Vertretern der Vereinten Nationen an, forderte, dass Habibie und Wiranto dem Einsatz von Streitkräften der Vereinten Nationen in Osttimor zustimmen und verkündete die Einstellung amerikanischer Waffenlieferungen an Indonesien. (Die USA sind Indonesiens größter Lieferant von militärischer Hardware.)

Im Gegensatz zum Kosovo wurden allerdings keine Fristen für die Einwilligung Indonesiens gesetzt, und keine Ultimaten nach der Art "Akzeptiert fremde Truppen oder wir bombardieren!" wurden ausgegeben. Und während im Kosovo jede Terrorhandlung, die von serbischen Kräften begangen wurde, Milosevic direkt zur Last gelegt wurde, bemühen sich die US-Regierung und die amerikanischen Medien den Eindruck zu erwecken, dass weder Habibie noch Wiranto eine Kontrolle über die Vorgänge in Osttimor haben. Statt dessen werden die Gräueltaten "verbrecherischen" Elementen innerhalb des indonesischen Militärs zugeschrieben.

Um die Heuchelei der Verantwortlichen in der amerikanischen Politik zu erfassen, sollte man sich der Anklagen erinnern, die das Vorspiel zum Krieg gegen Serbien bildeten. Die Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen Milosevic, die im Mai von dem Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien ausgegeben wurde, stellte fest, dass Mitte Oktober 1998 "über 298.000 Personen, grob geschätzt etwa 15 Prozent der Bevölkerung, innerhalb des Kosovo vertrieben oder aus der Provinz geflohen waren". Dies wurde in vollem Umfang einer vorsätzlichen serbischen Kampagne der "ethnischen Säuberung" zugeschrieben, während die Rolle der Angriffe und Provokationen der UCK und die unvermeidbare Vertreibung von Zivilisten in einem Bürgerkrieg ignoriert wurden.

Aber selbst wenn man die Schätzungen des Tribunals über die Vertreibung der Kosovaren und seine Haltung, den Serben die alleinige Schuld zuzuschreiben, akzeptiert, war das Niveau der "ethnischen Säuberung" im Kosovo vor Beginn des NATO-Krieges deutlich niedriger als das, was sich gegenwärtig in Osttimor entwickelt. Etwa 300.000 Menschen aus einer Bevölkerung von 800.000 - oder fast 38 Prozent - wurden vertrieben.

Was das Töten von Zivilisten betrifft, so ist Racak das einzige Massaker aus der Zeit vor dem Beginn des NATO-Bombardements, das von dem Tribunal vorgebracht wird, und die Zahl der getöteten kosovarischen Zivilisten, die vom Tribunal behauptet wird, beläuft sich auf 346. Diese Zahl wurde Ende Mai veröffentlicht, nach zwei Monaten der heftigen Bombardierung des Kosovo und Serbiens durch die NATO, d. h. nach zwei Monaten Bürgerkrieg, der durch Angriffe von außen verschlimmert worden war.

Es steht fest, dass in den vergangenen Tagen eine wesentlich größere Anzahl an Bewohnern Osttimors durch das indonesische Militär und die Milizen getötet wurden. Hinzu kommt, dass diesen Morden monatelange Angriffe der Milizen vorangegangen waren, wobei Tausende getötet und vertrieben wurden. Diese Angriffe waren Bestandteil einer Kampagne unter Führung des indonesischen Militärs, um die Bevölkerung Osttimors zu terrorisieren und ein Votum für die Ablösung von Indonesien zu verhindern.

Weiterhin gibt es tiefe historische Unterschiede zwischen der Situation im Kosovo und der in Osttimor; Unterschiede, die die Kriminalität des Regimes in Indonesien und seiner Komplizen in Washington unterstreichen.

Zunächst einmal war der Kosovo über Jahrhunderte hinweg mit Serbien verbunden, und Serbiens Souveränität über die Provinz wurde international über acht Jahrzehnte lang anerkannt.

Milosevic kam zur Macht, indem er der Politik des serbischen Nationalismus Vorschub leistete, ebenso wie seine Gegenspieler in Slowenien, Kroatien und Bosnien sich auf ethnischen Chauvinismus stützen. Er setzte brutale Mittel gegen die albanische Mehrheit im Kosovo ein, aber die serbische Offensive 1998 richtete sich in erster Linie gegen die Stützpunkte der UCK, einer separatistischen Terrorbewegung, die die heimliche Unterstützung der USA und anderer westlicher Mächte genoss. Die gesamte amerikanische Politik, die im Luftkrieg des vergangenen Frühlings ihren Höhepunkt fand, war ein Angriff auf die serbische Souveränität.

Indonesien hat keine solchen historischen oder juristischen Ansprüche an Osttimor, das Jahrhunderte lang portugiesische Kolonie war, dessen Einwohner eine andere Sprache sprechen, hauptsächlich katholisch sind (im Gegensatz zum moslemischen Indonesien) und eine andere ethnischen Herkunft haben als die vorherrschenden Nationalitäten in Indonesien. Das Militärregime in Jakarta fiel in Osttimor im Jahre 1975 im Anschluss an den Abzug Portugals ein, besetzte und annektierte schließlich die Provinz, wobei nach Schätzungen allein im ersten Jahr der indonesischen Herrschaft 100.000 Bewohner Osttimors umgebracht wurden.

Das einzige Land, das Indonesiens Anspruch auf Osttimor anerkannte, ist Australien. Aber die USA unterstützten inoffiziell die Invasion und die Unterdrückung der Provinz. Präsident Gerald Ford und Außenminister Henry Kissinger befanden sich in Jakarta auf einem Gipfeltreffen mit dem indonesischen Diktator Suharto am Vorabend der Invasion, die nur einen Tag nach ihrer Abreise eingeleitet wurde.

Dies stimmte mit der amerikanischen Politik gegenüber Indonesien vollständig überein. Das US-Außenministerium und der CIA spielten eine Schlüsselrolle beim Staatsstreich von 1965, in dessen Folge 500.000 Indonesier umgebracht wurden, unter ihnen Hunderttausende Mitglieder der Kommunistischen Partei, Gewerkschafter, Bauern und linke Intellektuelle. Seit dieser Zeit ist Washington der zuverlässigste Unterstützer des indonesischen Militärs geblieben.

Selbst wenn die USA an einer "friedenserhaltenden" Maßnahme in Osttimor teilnehmen, wird ihre Orientierung weiterhin auf die Unterstützung des indonesischen Militärs ausgerichtet sein, vielleicht mit demokratischem Drum und Dran verziert.

Eine Kolumne von Ronald Steel in der New York Times vom 12. September bringt den Zynismus der US-Außenpolitik offen und unverfroren zum Ausdruck. Steel schrieb:

"Wenn die Vereinigten Staaten aus humanitären Gründen eingeschritten sind, um die Kosovaren zu unterstützen, sogar so weit gegangen sind Serbien zu bombardieren, warum sollten sie nicht dasselbe in Indonesien tun?"

"Ein Grund ist - jede Rhetorik beiseite gelassen - wir sind nicht in erster Linie für humanitäre Zwecke im Kosovo gewesen. Die Notlage der kosovarischen Flüchtlinge war das, was das Herz der Öffentlichkeit ansprach. [...]"

"[Indonesien] hat die viertgrößte Bevölkerung der Welt, ist reich an natürlichen Ressourcen und einer der wichtigsten Handelspartner für amerikanische Unternehmen. Es ist ein logischer Gegner einer möglichen chinesischen Expansion. Darüber hinaus ist es, anders als das kümmerliche Serbien, eine ernst zu nehmende militärische Macht. [...]"

"Eine Intervention findet statt, wenn sie relativ billig zu haben ist, gegen eine schwache Nation, in einer Gegend, die sowohl zugänglich wie auch strategisch wichtig ist, wenn die Gefühle der Öffentlichkeit erregt sind und wenn sie in keiner Weise anderen politischen, wirtschaftlichen oder militärischen Belangen entgegen läuft."

In anderen Worten wird die amerikanische Außenpolitik von dem rücksichtslosen Streben nach imperialistischen Großmacht-Interessen bestimmt. Washington verfolgt eine Politik der Provokation und des Krieges gegen Serbien, weil Serbien als ein Hindernis ihrer strategischen Interessen in Europa, dem Nahen Osten und Zentralasien betrachtet wird. Sie unterstützen die Henker der Bewohner Osttimors in Jakarta, weil Indonesien als wichtiger Aktivposten beim Griff nach der Weltherrschaft gilt.

Siehe auch:
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