Neue Beweise für absichtliche NATO-Bombardierung der chinesischen Botschaft in Belgrad

Die britische Zeitung Observer legte am 28. November neue Beweise für ihre Aussage vor, dass die NATO am 7. Mai die chinesische Botschaft in Belgrad absichtlich bombardierte.

In einem Artikel mit der Überschrift "Die Wahrheit hinter Amerikas Angriff auf Belgrad" erklärte die Zeitung, dass es sich keineswegs um einen Fehler gehandelt habe, sondern "die Präzision des Angriffs in Wirklichkeit ein tödliches Signal an Milosevic war: wenn du wegen Kosovo Hilfe von außen suchst, dann auf eigene Gefahr".

Der frühere Bericht des Observer war, wie das World Socialist Web Site am 19. Oktober (http://www.wsws.org/de/1999/okt1999/nato-o26.shtml) anmerkte, von der Clinton-Regierung und der Blair-Regierung in Großbritannien dementiert worden. US-Außenministerin Madeleine Albright bezeichnete ihn als "Quatsch", während der britische Außenminister Robin Cook erklärte, es gebe "nicht den geringsten Beweis, der diese ziemlich wilde Geschichte stützen würde".

In der Ausgabe vom 28. November heißt es im Observer, dass die Bombardierung der chinesischen Botschaft durch den 44 Milliarden Dollar teuren, vom Luftwaffenstützpunkt Whiteman in Missouri aus operierenden amerikanischen B2-Bomber durchgeführt worden sei. Er habe das eingesetzt, was der Observer als "die genaueste Luft-Boden-Waffe der Welt - die fliegende Bombe JDAM" beschreibt. Die Zeitung schreibt, dass die JDAM eine Zielgenauigkeit von zwei Metern besitze. Sie benutze vier steuerbare Flossen, um ihre Flugbahn zu kontrollieren, welche wiederum ständig von sieben Satelliten überprüft werde.

Die Bombe war so präzise, dass sie das Büro des Militär-Attachés zerstörte und drei Menschen tötete, während der Nordteil mit dem Haupteingang der Botschaft unversehrt blieb. Ein ranghoher NATO-Luftwaffenoffizier wird mit den Worten zitiert: "Nicht nur war es ihnen keineswegs unbekannt, dass es sich bei dem Ziel um eine Botschaft handelte, sondern es musste ihnen im Gegenteil jemand die Baupläne davon gegeben haben."

Die USA und Großbritannien behaupten steif und fest, dass die Bombardierung der Botschaft deshalb erfolgt sei, weil der Geheimdienst alte und unzuverlässige Karten benutzt habe. Der Observer widerlegt diese Behauptung Punkt für Punkt. Er zitiert die Reaktion eines amerikanischen Obersten auf die Kritik aus Großbritannien, Frankreich und Kanada an dem angeblichen Fehler: "Blödsinn", so der Oberst. "Wir haben großartig gezielt... wir haben zwei JDAMs in das Büro des Attachés gesetzt und damit exakt den Raum getroffen, den wir treffen wollten... Sie [die Chinesen] werden von dort aus keinen jugoslawischen Funk mehr übertragen können, und das wird diesem Mistkerl Arkan einige Kopfschmerzen bereitet haben."

Der Observer behauptet, die chinesische Botschaft sei entweder von Zeljko Raznatovic alias Arkan oder von der serbischen Armee selbst als Funkstation für die Übertragung von Geheimdienst-Informationen genutzt worden.

Die Koordinaten der Botschaft waren im NATO-Computer eingegeben, weil sie seit langem ein wichtiges Ziel westlicher Geheimdienste war. Diese hatten argwöhnisch verfolgt, wie China mit Serbien militärisch zusammenarbeitete. Ein Fluglotse der NATO erklärte: "Die chinesische Botschaft besaß ein elektronisches Profil, das die NATO geortet und anvisiert hatte." Diese Daten wurden an das logistische Operationszentrum in Mons weitergeleitet, an das europäische Hauptquartier der NATO. Um sie aus dieser Liste auszusondern und als Ziel klassifizieren zu lassen, wäre die Erlaubnis von Präsident Clinton als dem verantwortlichen Oberkommandierenden nötig gewesen.

Es hat den Anschein, dass die USA von Seiten ihrer europäischen Verbündeten, besonders Frankreich, Opposition gegen ihren Plan zur Bombardierung der chinesischen Botschaft erwartet hatten. Sie umgingen dieses Problem dadurch, dass sie sie einfach nicht informierten.

Eine der Quellen des Observer sagt aus, dass das Hauptquartier der Luftstreitkräfte in Vincenca von der Zielerfassung der Botschaft nicht informiert worden war, weil "alle Operationen mit Stealth-Flugzeugen und anderen Spezialsystemen unter der alleinigen Regie der Amerikaner liefen... sie gaben uns immer erst hinterher Bescheid."

Ein hoher Beamter des französischen Verteidigungsministeriums erklärte, Frankreich sei von der Zielerfassung einer Station informiert worden, die jugoslawische Funksignale weiterleite, nicht jedoch, dass es sich dabei um die chinesische Botschaft handelte.

"Keiner von uns hätte je daran gedacht, dass das Ziel die Botschaft sein könnte", sagte er. "Uns wurde nur gesagt, dass es ein militärisches Ziel sei, das Funksignale an die jugoslawische Armee übertrage. Es wurde als Kommunikationseinrichtung beschrieben, die zerstört würde... Was die Amerikaner wirklich wussten, dazu möchte ich mich nicht äußern."

Die Recherche des Observer bestätigt die Analyse, die das World Socialist Web Site damals angestellt hat. Es bezweifelte die offizielle Erklärung, die Bombardierung der Botschaft sei ein Unfall gewesen, und erörterte die Möglichkeit, dass die USA die Botschaft absichtlich angegriffen hatten, z.T. um ein Verhandlungsende des Krieges zu verhindern. Jede neue Enthüllung bezüglich des Vorfalls wirft mehr Licht auf die rücksichtslose und aggressive Vorgehensweise der USA, wie auch auf ihre verächtliche Haltung gegenüber ihren angeblichen Alliierten in Europa.

Die jüngste Kritik Frankreichs an den USA wegen der Anordnung von Missionen außerhalb der gemeinsamen Führungsstruktur der NATO nimmt sich noch milde aus, wenn man sie mit den bissigen Angriffen führender US-Militärs auf Frankreich vergleicht. Am 21. Oktober erklärte Luftwaffenkommandant Generalleutnant Michael C. Short vor dem Streitkräfte-Komitee des amerikanischen Senats, dass Frankreichs Opposition gegen Amerikas Kriegsziele das Leben amerikanischer Piloten, darunter das seines Sohnes, gefährdet habe.

Er meinte weiter, dass der 78 Tage andauernde Krieg möglicherweise früher beendet gewesen wäre, wenn die politischen Führer erlaubt hätten, Belgrad von der ersten Nacht an anzugreifen. "Ich glaube, der Weg, die ethnischen Säuberungen zu stoppen, hätte darin bestanden, das Herz der Führung anzugehen, und in dieses Herz so schnell und entschlossen wie möglich ein Messer zu stoßen.... Ich hätte schon in der ersten Nacht den Kopf der Schlange angegriffen. Ich hätte in der ersten Nacht die Lichter ausgemacht. Ich hätte die Brücken über der Donau versenkt. Ich hätte fünf oder sechs politische und militärische Zentralen in der Belgrader Innenstadt getroffen. Milosevic und seine Kumpane hätten sich am ersten Morgen beim Aufwachen gefragt, was zum Teufel da los sei."

Short fügte hinzu, dass der amerikanische Militärkommandant der NATO, General Wesley Clark, um Erlaubnis ersucht habe, Belgrad von Beginn an zu bombardieren, aber das sei von Frankreich und anderen in Europa abgelehnt worden.

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