Dass sich die SPD in ihrer Politik ausschließlich der Wirtschaft verpflichtet fühlt, dürfte nach den ersten Monaten ihrer Amtszeit kaum einem Zweifel unterliegen. Wie stark das Band ist, das die SPD mit den Interessen der Wirtschaft verbindet, lässt sich besonders anschaulich am Beispiel des bisherigen Kanzleramtsministers Bodo Hombach nachzeichnen.
Hombach, der bis Ende Juni dieses Amt bekleidete, war der wohl einflussreichste Politiker der deutschen Regierungsmannschaft in den ersten Monaten. Nachdem er den Wahlkampf im letzten Jahr für den heutigen Bundeskanzler Gerhard Schröder nach amerikanischem Vorbild organisiert hatte, war er nicht unmaßgeblich an dem Rückzug Lafontaines beteiligt, mit dem das Wahlergebnis des letzten Jahres im Sinne der Wirtschaft korrigiert wurde. Als Mitautor des bekannten Schröder-Blair-Papiers sorgte er schließlich dafür, dass Schröders Kurs der "Neuen Mitte" programmatischen Ausdruck gefunden hat.
Als er nach dem Ende des Kosovo-Krieges seinen Ministerposten verließ, um den eines Sonderkoordinators der Europäischen Union für den Stabilitätspakt für Südosteuropa zu übernehmen, ging ein Raunen der Erleichterung durch die Reihen der SPD. Hombach hatte in der Partei wenig Unterstützung und galt als intrigant und mediengeil.
Anerkennende Worte kamen dagegen von einer anderen Seite. Die Verbände der deutschen Wirtschaft wissen sehr wohl, was sie an ihrem bisherigen Minister im Kanzleramt zu verlieren haben. Das Handelsblatt kommentiert in der Ausgabe vom 24. Juni: "Es spricht Bände, wenn etwa BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel das SPD-Mitglied Hombach als verlässliche Stütze der Wirtschaft lobt und seinen Weggang als Verlust bedauert."
Noch deutlicher äußerte sich Henkel in einem Spiegel -Interview: "Ohne Hombach hätte es die überfällige Kurskorrektur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht gegeben. Aber nun übernimmt er eine phantastische Aufgabe, und die deutsche Industrie wird künftig in Südosteuropa einen überaus kompetenten Ansprechpartner haben." Henkel hätte, wie man sieht, am liebsten zwei Hombachs, einen für daheim und einen für den Balkan.
Auch der Hauptgeschäftsführer des BDI, Ludolf von Wartenberg, der eine angemessene Beachtung der deutschen Wirtschaft beim Wiederaufbau des Kosovo fordert, begrüßt die Entscheidung, dass Bodo Hombach dafür die Verantwortung übernehmen wird.
Woher rührt diese beinahe intime Nähe der Wirtschaftsoberen zum bisherigen "besten Mann" im Kabinett des Bundeskanzlers?
Am Anfang von Hombachs Karriere wies wenig auf eine solche Entwicklung hin. Der Sohn eines Dekorateurs ließ sich zum Fernmeldemechaniker ausbilden und trat 1971 im Alter von 18 Jahren der SPD bei. Über den zweiten Bildungsweg holte er das Abitur nach und begann einen steilen Aufstieg innerhalb der Bürokratie, zunächst in den Gewerkschaften, schließlich in der SPD selbst.
Mit 25 Jahren war er bereits Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) in Nordrhein-Westfalen, wo er sich seine Lorbeeren besonders im Kampf gegen den damals noch starken linken Flügel der GEW verdiente. Zwei Jahre später landete er in der Zentrale des nordrhein-westfälischen SPD-Landesverbandes, die er weitere zwei Jahre später, im Alter von gerade 28 Jahren als Geschäftsführer übernahm.
Dreimal managte er erfolgreich den Wahlkampf für den damaligen Ministerpräsidenten von NRW, Johannes Rau. Sein Erfolgsrezept bestand seinerzeit schon darin, die zu wählende Person über das zu wählende Programm zu erheben: SPD wird klein gedruckt, Johannes Rau groß.
In dieser Zeit wurde Hombach von der Wirtschaft entdeckt. Der gut dreißigjährige SPD-Geschäftsführer aus einfachen Verhältnissen baute ein luxuriöses Eigenheim zum Preis von 1,7 Millionen Mark, wobei er sich gründlich finanziell übernahm. Nun kam ihm ein besonderer Service des VEBA-Konzerns zugute, den dieser seinen Vorständen und "aufstrebenden Persönlichkeiten" angedeihen lässt. Dabei werden größere Summen mit anderen Aufträgen der Immobilienabteilung des Konzerns verrechnet und bleiben dem jeweiligen Nutznießer, in diesem Falle Hombach, erspart.
Der Vorgang wurde vergangene Woche gerichtlich bestätigt. Ein ehemaliger Bauleiter des VEBA-Konzerns wurde wegen Meineides verurteilt. Er hatte noch im Mai letzten Jahres behauptet, dass ihm zweifelhafte Verrechnungspraktiken bei der VEBA fremd seien. Nunmehr hat er zugegeben, dass im Fall Hombach die Kosten in "sechsstelliger Höhe" mit anderen VEBA-Aufträgen "verrechnet" wurden.
Im Falle Hombach war der Initiator der Vergünstigung der damalige SPD-Schatzmeister von NRW, Fritz Ziegler, der die Chefs von VEBA-Immobilien, Ludwig Staender, und des VEBA-Konzerns, Rudolf von Bennigsen-Foerder, überredete "einer kommenden Größe etwas Gutes zu tun". Daraufhin hat Staender einem Vorstandsmitglied der VEBA-Immobilien GmbH nach dessen eigener Aussage über Finanzschwierigkeiten bei Hombach berichtet und ihn "aufgefordert, sich dieser Sache hilfreich anzunehmen", was dann auch geschah.
Die VEBA ist einer der größten und einflussreichsten deutschen Konzerne. Stets unter den zehn Größten, setzte er im Jahre 1998 83 Milliarden Mark um und beschäftigte 116.000 Arbeiter in den verschiedensten Gebieten. Er gilt als klassischer Mischkonzern. Die Tochtergesellschaft PreussenElektra ist der zweitgrößte Stromanbieter Deutschlands und bildet mit den anderen Großen der Energiewirtschaft, RWE, VEW und VIAG das deutsche Atomstromkartell. Zur VEBA gehören des weiteren die Degussa-Hüls AG in der Chemiebranche, die VEBA-Öl mit der größten deutschen Raffineriekapazität und einer Mehrheitsbeteiligung an Tankstellen-Marktführer Aral, die Stinnes AG und eben die VEBA-Immobilien, die heute als Viterra AG fortexistiert und mit 130.000 Wohnungen als größte deutsche Immobiliengesellschaft gilt.
Einige hunderttausend Mark "zur Pflege der politischen Landschaft" auszugeben, wie es im Wirtschaftsjargon heißt, ist für einen solchen Konzern eine Selbstverständlichkeit. Wie wenig geheimnisvoll diese Praxis ist, erschließt sich aus einer Bemerkung des Richters in dem erwähnten Meineidsprozess: "Das Verrechnungssystem ist der Kammer aus vielen anderen VEBA-Prozessen bekannt."
Auch Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch, Protagonist der Parteispenden-Affäre der achtziger Jahre, sieht das so. In seinem vom Spiegel vorabgedruckten Buch "Der Preis des Schweigens" schreibt er: "Dafür zu sorgen, dass ein verdienter Politiker nicht ins Leere fällt, und zu prüfen, ob man bei seinem Übertritt ins Wirtschaftsleben Hilfestellung leisten kann, scheint mir eine Selbstverständlichkeit." Die Passage bezieht sich auf Rainer Barzel, der, nachdem er den CDU-Vorsitz 1973 für Helmut Kohl geräumt hatte, einen hochdotierten Beratervertrag in einer dem Flick-Konzern verbundenen Anwaltskanzlei bekam.
Auch Kohl selbst schickte regelmäßig seine Sekretärin Juliane Weber bei von Brauchitsch vorbei, um Umschläge mit 20.000 oder 30.000 Mark abzuholen: "Er hat mich gelegentlich angerufen und gesagt: Juliane kommt.‘ Frau Weber erklärte mir dann, dass in diesem oder jenem Landesverband dieser oder jener Vertrauensmann Kohls unterstützt werden müsse."
Wenn wundert es da, wenn der Veba-Konzern, der hauptsächlich im SPD-Erbhof Nordrhein-Westfalen aktiv ist, seine Fürsorge einem aufsteigenden SPD-Funktionär wie Hombach angedeihen ließ. Hombach leugnet zwar bis heute hartnäckig, dass es bei der Finanzierung seines Hauses mit unrechten Dingen zugegangen sei, doch inzwischen sind weitere Korruptionsvorwürfe ans Licht gelangt. So soll er mit der Werbeagentur von Harry Walter, die von der SPD Millionen für ihre Wahlkämpfe kassierte, Grundstücksgeschäfte in Kanada getätigt haben.
Im Jahre 1991 fand Hombach als Direktor der Salzgitter Stahl GmbH selbst Einlass in die oberen Etagen der Wirtschaft. Ein Jahr später übernahm er die Stahlhandelsfirma des Preussag Konzerns als Geschäftsführer.
1998 kehrte Hombach, der als Mann der SPD in die Wirtschaft gegangen war, als Mann der Wirtschaft in die SPD zurück. Raus Nachfolger Clement berief ihn als Wirtschaftsminister nach NRW. Kurze Zeit später rückte er als Chef in Schröders Kanzleramt auf.
Man fragt sich nur, wer jetzt den Abschuss Hombachs betreibt und seine schmutzige Wäsche an die Öffentlichkeit bringt. Denn so bezeichnend seine Affären sind, so wenig fallen sie aus dem Rahmen dessen, was in der deutschen Politik üblich ist. Allein Schröders notorischer Besuch beim Wiener Opernball an der Seite von VW-Chef Piech hat ähnlich hohe Summen verschlungen, wie Hombach von VEBA erhalten haben soll.
Hombach ist in der SPD nicht beliebt und der von ihm inspirierte wirtschaftsfreundliche Kurs der Regierung hat scharfe Spannungen ausgelöst. Aber kaum ein führender SPD-Politiker hat es bisher gewagt, öffentlich dagegen aufzutreten und eine Alternative vorzuschlagen. Ist die Kampagne gegen Hombach die heimliche Rache der Unzufriedenen, die zu feige sind, Schröder offen die Stirn zu bieten?