25.000 protestieren gegen Massenentlassungen bei Bosch

Am Mittwoch protestierten bundesweit 25.000 Beschäftigte von Bosch gegen den geplanten massiven Stellenabbau im Konzern. Allein vor der Konzernzentrale in Gerlingen bei Stuttgart versammelten sich mehr als 10.000 Teilnehmer. Auch Beschäftigte aus den benachbarten Mercedes-Benz-Werken in Untertürkheim und Sindelfingen sowie von Mahle und anderen Unternehmen soldarisierten sich mit ihren Kollegen bei Bosch und schlossen sich dem Protest an.

10.000 Beschäftigte demonstrieren vor dem Bosch-Hauptsitz in Gerlingen bei Stuttgart

Es ist der größte Protest bei Bosch seit dreißig Jahren. Er ist Ausdruck der wachsenden Empörung von Hunderttausenden Beschäftigten der Automobil- und Zulieferindustrie, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Weitere Proteste mit insgesamt 15.000 Teilnehmern fanden in Ansbach, Blaichach, Bamberg, Eisenach, Hildesheim, Homburg, Nürnberg und Salzgitter statt.

Die WSWS sprach mit mehreren Arbeitern, die sich Sorgen um ihre Arbeitsplätze, ihre Familien und ihre Zukunft machen. Sie waren nachdenklich und wütend. Sie waren zur Kundgebung gekommen, um ihrem Widerstand Ausdruck zu verleihen. Doch die IG Metall sorgte mit ihrer üblichen Trillerpfeifen- und Fahnen-Dramaturgie dafür, dass der Protest laut und oberflächlich blieb.

Frank Sell, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats des Unternehmensbereichs Mobility und stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats der Robert Bosch GmbH, behauptete, die Geschäftsführung weigere sich, auch nur mit der Gewerkschaft zu sprechen. „Wir stehen noch ganz am Anfang der Transformation. Wenn das die Richtung ist, die wir einschlagen, sieht es für die nächsten Jahre rabenschwarz aus,“ sagte er.

Ausgelöst wurden die Proteste durch die schrittweise Ankündigung der Bosch-Geschäftsleitung, mehr als 3500 Beschäftigte in mehreren Werken im ganzen Land zu entlassen. Bereits in den letzten Jahren hatten konzernweit 4000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verloren.

Die IG-Metall, die die Entlassungen bereits abgesegnet hat, hatte zum Protest aufgerufen, um den zunehmenden Widerstand in den Betrieben zu entschärfen. In der Auto- und Zulieferindustrie spielt die IG-Metall die führende Rolle dabei, den Transformationsprozess vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität im Interesse der Konzerne umzusetzen. Sie organisiert die Vernichtung von Arbeitsplätzen, um die Gewinne zu maximieren.

Im Juli 2023 hatte die IG-Metall bekanntgegeben, sie habe nach „schwierigen“ Verhandlungen einen Zukunftstarifvertrag vereinbart, der „betriebsbedingte Kündigungen“ für 80.000 Beschäftigte im Bereich Mobilität bis Ende 2027 ausschließe. „Die Beschäftigten gestalten die Zukunft bei Bosch Mobility mit,“ jubelte damals die Gewerkschaft.

Die Einigung war nach langen Protesten der Beschäftigten gegen die Sanierungspläne von Vorstand und IG-Metall zustande gekommen. Obwohl die Einzelheiten der vereinbarten Zugeständnisse von der IGM geheim gehalten wurden, legte sie die Grundlage für die Ankündigung der neuen Entlassungswelle im Januar 2024.

Die Formel „Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen“ dient immer als Feigenblatt, um die Arbeiter in die Irre zu führen und mithilfe der Gewerkschaften die versteckten Pläne der Unternehmensleitung umzusetzen.

Christoph Geismar von SWR Aktuell kommentierte damals den Zukunftstarifvertrag mit den Worten: „Also eigentlich ganz einfach, man will Ruhe in die Belegschaft bringen. Ich denke, ohne die jetzt getroffenen Vereinbarungen wäre es immer weitergegangen mit Protestaktionen und dem Unmut bei den Mitarbeitern. Und das kann sich Bosch in der wichtigsten Sparte des Konzerns nicht leisten.“

Betriebsratschef Frank Sell verkündete, der Zukunftstarifvertrag garantiere nicht nur die Arbeitsplätze: „Noch wichtiger ist: Die Betriebsräte werden nun auch frühzeitig in strategische und wirtschaftliche Planungen eingebunden, zum Beispiel hinsichtlich der Ansiedelung von Zukunftsprodukten und Entwicklung von Zielbildern. So gestalten wir die Zukunft der deutschen Mobility-Standorte auch über das Jahr 2027 hinaus.“

Weltweit entwickelt sich der Markt für Elektromobilität nicht wie erwartet. Mit Ausnahme von Luxusmodellen zu exorbitanten Preisen produziert die Autoindustrie weiterhin vor allem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor.

Bosch-Chef Stefan Hartung sagte kürzlich, dass Bosch noch mindestens bis 2060 Produkte für Verbrennungsmotoren herstellen werde. Trotz der Verpflichtung des Unternehmens zur Elektromobilität, „müssen wir weiterhin Verbrennertechnologie in Deutschland bereitstellen, sonst wird die Welt damit nicht zurechtkommen“.

Die Auto- und Zulieferindustrie sieht die Transformation als Chance für Massenentlassungen und den Abbau von Errungenschaften, für die Arbeiter seit Generationen gekämpft haben.

Die Bosch-Gruppe beschäftigt in Deutschland 133.800 und weltweit 427.600 Mitarbeiter. Als einer der führenden internationalen Technologiekonzerne verfügt Bosch über 468 Produktionsstätten und Geschäftsstellen in 60 Ländern. Für das Geschäftsjahr 2023 hat das Unternehmen den Umsatz um acht Prozent auf 91,6 Milliarden Euro gesteigert und damit den operativen Gewinn von 3,8 Milliarden auf 4,6 Milliarden Euro erhöht.

Finanzchef Markus Forschner reagierte auf die Ergebnisse mit den Worten: „Der Gegenwind bleibt, weshalb wir auch unsere Zielrendite nur verzögert erreichen werden.“ Die angestrebte Zielrendite liegt bei 7 Prozent.

In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung machte Bosch-Chef Stefan Hartung deutlich, dass der Konzern weitere Massenentlassungen plant. Da das Unternehmen eine langfristige Perspektive verfolge, brauche es Jahre, um sich den Entwicklungen anzupassen. Es könne sein, dass das Ziel mit dem angekündigten Personalabbau nicht zu erreichen sei, dann werden man mit den Arbeitnehmervertretern eine Lösung finden.

Hartung sagte: „Es sind keine endgültigen Zahlen, sondern die Größenordnungen, die wir als nötig erachten, um die Wettbewerbslücke zu schließen. Am Schluss geht es um dauerhafte Kostenreduktion und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und nicht um Kopfzahlen.“

Auf der Demonstration wurden Transparente getragen, die an das soziale Engagement von Firmengründer Robert Bosch erinnerten. Auf einem Transparent stand: „Robert komm zurück! Wir brauchen dich jetzt!“ Eine solche Forderung ist entweder naiv oder schürt Illusionen. Mitten in der globalen kapitalistischen Krise, in der die imperialistischen Mächte einen atomaren Weltkrieg riskieren, um sich Rohstoffe und Märkte zu sichern, können Arbeiter kein soziales Engagement erwarten.

Trotz seines sozialen Engagements war Bosch ein rechter Sozialdemokrat und Kapitalist. Als Reaktion auf den Streik im Bosch-Metallwerk in Feuerbach schloss er im März 1913 das Werk und entließ 3700 Arbeiter. Auch der heutige Bosch-Chef Stefan Hartung beruft sich deshalb auf den Firmengründer: „Für eine kraftvolle Entwicklung des Unternehmens in die Zukunft darf kein Opfer gescheut werden, diese Überzeugung hat der Gründer uns neben seinen sozialen Überzeugungen auch mitgegeben.“

Was die Arbeiter bei Bosch und anderswo brauchen, ist ein Ausbruch aus der Zwangsjacke der Gewerkschaften und die Gründung unabhängiger Aktionskomitees, um für ihre Forderungen zu kämpfen.

Wenn IG Metall und Betriebsrat jetzt behaupten, sie seien von den neuen Kürzungsplänen überrascht worden, lügen sie. Bosch-Arbeitsdirektor Stefan Grosch bestätigte der F.A.Z., dass sie in engem Kontakt mit dem Vorstand stehen: „Wir stehen seit Sommer andauernd in Gesprächen, wir halten uns an alle Abmachungen.“

Den Gewerkschafts- und Betriebsratsfunktionären geht es nicht um das Schicksal der Arbeiter und ihrer Familien. Sie wollen, dass der Konzern sie noch stärker an der Planung und Umsetzung des Kahlschlags (der „Transformation“) beteiligt. Auf der Kundgebung flehten sie die Konzernleitung regelrecht an, sich auf sie zu verlassen.

Barbara Resch, Bezirksleiterin der IG Metall Baden-Württemberg, rief den Vorstand auf, „mit uns über die Zukunft der deutschen Standorte zu sprechen. Wir erwarten gemeinsame Antworten und Anstrengungen, um zusammen die Zukunft zu gestalten.“ Auf der Website der IGM heißt es, die Transformation müsse „gemeinsam mit den Beschäftigten [gemeint ist die Gewerkschaft] gestaltet werden, nicht gegen sie – nach dem Leitsatz: ‚Zukunft baut man nicht allein, man gestaltet sie gemeinsam‘.“

Im Gespräch mit der WSWS äußerten sich Arbeiter misstrauisch über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens.

Teresa und Tim, die sich im zweiten Lehrjahr als Mechatroniker befinden, sagten, sie würden nach der Lehre nicht übernommen. 55 weitere mit einer ähnlichen Ausbildung würden ebenfalls nicht übernommen. Als sie bei Bosch als Auszubildende anfingen, seien sie begeistert und hoffnungsvoll gewesen. Jetzt sei es ungewiss, wie sich ihr Berufsleben entwickeln werde. Sie hätten im Juli 2023 nach der Unterzeichnung des Zukunftstarifvertrags erfahren, dass sie keinen Arbeitsplatz erhalten würden, sagte Tim. Er glaube, sie seien die ersten Opfer dieser Vereinbarung, die als Erfolg für die Beschäftigten propagiert wurde.

Yasar, der bei Mercedes Benz in Untertürkheim arbeitet, sagte, er sei aus zwei Gründen gekommen. Erstens habe seine Mutter 40 Jahre lang bei Bosch gearbeitet, so dass es auch ein Teil seines Lebens sei. Zweitens sei die Situation für die Arbeiter bei Bosch sehr schwierig, soweit er das aus den Medien wisse, und er wolle seine Solidarität zum Ausdruck bringen: „Wir alle sind mit ähnlichen Schwierigkeiten und Unsicherheiten konfrontiert. In der Industrie ist es unvorhersehbar, was im nächsten Monat passieren wird. In der Abteilung, in der ich arbeite, herrscht immer eine angespannte Atmosphäre.“

Thomas, der als Ingenieur bei Bosch Abstatt arbeitet, berichtete, er habe anfangs gedacht, dass es bei Bosch einen Unterschied gebe, weil es sich um eine Stiftung und nicht um eine Aktiengesellschaft handle. Er wisse, dass Industrie und Unternehmen auf Gewinn ausgerichtet seien, aber in den letzten Jahren scheine bei Bosch das Gewinnstreben die Oberhand zu haben. Viele seiner Mitarbeiter hätten ihren Arbeitsplatz verloren oder würden ihn verlieren. In der 6000-köpfigen Belegschaft herrsche dicke Luft, niemand wisse, was passieren werde.

Oliver arbeitet seit mehr als 35 Jahren bei Bosch Waiblingen. Er sei in den ersten Jahren Mitglied der IG Metall gewesen, aber er sei nicht als Vertreter der IG-Metall hier. Er wolle nicht über die IG Metall reden. Obwohl in seinem Betrieb derzeit keine Entlassungen geplant seien, sei seine Anwesenheit hier nötig, um seine Kollegen zu unterstützen. Er habe sich Urlaub genommen und seine Fahrt selbst organisiert. Seiner Meinung nach müssten seine Kollegen aktiver sein.

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