Perspektive

Der Fall Maaßen und die Rückkehr des Faschismus in Deutschland

In der vergangenen Woche wurde öffentlich bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz seinen ehemaligen Chef Hans-Georg Maaßen als „rechtsextremen Verdachtsfall“ führt. Die Behörde muss damit eingestehen, dass sie acht Jahre lang von einem Rechtsextremisten geleitet wurde.

Hans-Georg Maaßen 2023 [Photo by Elekes Andor / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Die Behauptung, Maaßen habe sich erst in den letzten Jahren radikalisiert, ist nichts als eine faule Ausrede. Er war schon immer ein Rechtsextremer, und das war allgemein bekannt. Tatsächlich beweist sein Aufstieg an die Spitze des Verfassungsschutzes, dass die braunen Seilschaften im Staatsapparat systematisch gefördert und geschützt werden.

Maaßen hat auf seiner Website selbst bestätigt, dass er durch den Inlandsgeheimdienst beobachtet wird, nachdem das ARD-Politmagazin Kontraste zuvor darüber berichtet hatte. Der Schriftsatz über ihn enthält ausschließlich Zitate, die er öffentlich getätigt hat und die an seiner rechtsradikalen und faschistischen Gesinnung keinen Zweifel lassen.

So wird ein Artikel Maaßens aus der Schweizer Weltwoche zitiert, in dem dieser behauptet, Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser (beide SPD) strebten mit ihrer Flüchtlings- und Migrationspolitik „den Zusammenbruch der deutschen Gesellschaft“ an, „um auf ihren Trümmern ein neosozialistisches Gesellschaftssystem zu errichten“. Den Zuzug von Migranten setzt er mit einer Krebserkrankung gleich, die es mit einer „Chemotherapie“ zu bekämpfen gelte.

Seit Januar betreibt Maaßen mit der Werteunion, die bisher innerhalb der CDU arbeitete, die Gründung einer neuen Partei. Maaßen hat sich zu Koalitionen mit der AfD bereit erklärt und könnte der faschistischen Partei insbesondere in ostdeutschen Bundesländern an die Macht verhelfen. Vertreter der Werteunion hatten sich an dem berüchtigten Treffen von AfD-Vertretern und anderen Rechtsextremisten in einer Potsdamer Villa beteiligt, das die Deportation von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund plante.

Maaßens rechtsextreme Gesinnung war, lange bevor er das Amt des Geheimdienstchefs antrat, wohl bekannt. Als Leiter der „Projektgruppe Zuwanderung“ im Bundesinnenministerium vertrat er eine extrem restriktive Flüchtlingspolitik und sorgte dafür, dass der in Bremen geborene und aufgewachsene Murat Kurnaz fünf Jahre unschuldig in Guantanamo saß.

2012 wurde Maaßen an die Spitze des Verfassungsschutz gesetzt, um die enge Verzahnung der Behörde mit dem rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zu vertuschen und die braunen Seilschaften aufrecht zu erhalten, die für den Mord an mindestens neun Migranten und einer Polizistin verantwortlich waren.

Auch als die AfD gegründet wurde, konnte sie sich auf die Unterstützung Maaßens und seiner Behörde verlassen. Maaßen traf sich nachweislich mehrfach mit der damaligen Vorsitzenden Frauke Petri, ihrem Nachfolger Alexander Gauland sowie mindestens einem Vertreter des faschistischen Flügels und diskutierte mit ihnen unter anderem die Verfassungsschutzberichte.

Während er den Verfassungsschutz enger mit der rechtsextremen Szene verknüpfte, ging er aggressiv gegen jeden vor, der sich den Rechten in den Weg stellte. Im Jahr 2018 veranlasste Maaßen, dass die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) als „linksextremistische Organisation“ in den Verfassungsschutzbericht aufgenommen und der geheimdienstlichen Überwachung ausgesetzt wurde. Als Begründung führte der Verfassungsschutz an, dass die Partei „gegen vermeintlichen Nationalismus, Imperialismus und Militarismus“ auftrete und den Kapitalismus verunglimpfe.

Die SGP klagte gegen dieses Vorgehen und wies nach, dass die Bundesregierung damit direkt an das Verbot der SPD durch Bismarck und die Verfolgung von Sozialdemokraten und Kommunisten unter Hitler anknüpft: „Nun bereiten die Große Koalition und ihr Geheimdienst eine dritte Auflage der Sozialistengesetze vor. Sie übernehmen die Politik der Alternative für Deutschland (AfD) und drohen jedem, der sich dieser rechtsextremen Partei entgegenstellt, mit Verbot.“

Genau das war der Grund, weshalb Maaßen an die Spitze des Inlandsgeheimdiensts berufen worden war. Er sollte die rechten Netzwerke stärken und den Marxismus illegalisieren. Seinen Hut musste er erst nehmen, als die öffentliche Empörung Wellen schlug, weil er rechtsradikale Hetzjagden auf Migranten und Juden in Chemnitz verteidigte und über „linksradikale Kräfte in der SPD“ schwadronierte.

An der antidemokratischen Agenda der Behörde änderte Maaßens Absetzung nicht das Geringste. Die rechtsradikalen Seilschaften, die er abdeckte, blieben intakt und hunderte Mitarbeiter, die er in seiner Amtszeit eingestellt hatte, auf ihren Posten. Zum neuen Chef wurde Thomas Haldenwang ernannt, der zuvor fünf Jahre lang als Vizepräsident des Verfassungsschutzes aufs Engste mit Maaßen zusammengearbeitet hatte. Die SGP blieb unter geheimdienstlicher Überwachung und die Angriffe wurden auf weitere linke Kräfte, wie die Klima-Initiative „Ende Gelände“ und die Tageszeitung Junge Welt, ausgeweitet.

Die inhaltliche und personelle Kontinuität im Verfassungsschutz beweist, dass es nicht um eine Einzelperson, sondern um die politische Agenda der herrschenden Klasse geht. Deshalb wurde Maaßen von allen Parteien unterstützt. Es war SPD-Innenminister Otto Schily, der ihn 2001 zum Leiter der „Projektgruppe Zuwanderung“ ernannte. CDU, CSU und FDP machten ihn gemeinsam zum Chef des Verfassungsschutzes. Auch die Linkspartei pflegte zu Maaßen enge Kontakte und lud ihn 2013 sogar zu einer öffentlichen Versammlung ein.

Die SGP ist ins Fadenkreuz dieser politischen Verschwörung geraten, weil sie die rechten Seilschaften aufdeckte und nachwies, wie die herrschende Klasse in Deutschland wieder an ihre braunen Traditionen anknüpft. Die AfD wurde systematisch aufgebaut und ihre rechtsextreme Flüchtlings-, Kriegs- und Innenpolitik von den Regierungen Angela Merkels und Olaf Scholzs in die Tat umgesetzt. In dem Buch „Warum sind sie wieder da?“, das die Wiederkehr des Faschismus in Deutschland untersucht, erklärten wir:

Hatte sich 1933 die Verschwörung der herrschenden Eliten auf eine bestehende faschistische Bewegung gestützt, ist es heute umgekehrt. Das Anwachsen der AfD ist das Ergebnis einer solchen Verschwörung. Man kann es nicht verstehen, ohne die Rolle der Regierung, des Staatsapparats, der Parteien, der Medien und der Ideologen an den Universitäten zu untersuchen, die ihr den Weg bereiten.

Das Buch geht insbesondere darauf ein, wie an deutschen Universitäten die Verbrechen der Nazis verharmlost werden, um rechtsextreme Standpunkte salonfähig zu machen und den deutschen Militarismus von seinen historischen Verbrechen reinzuwaschen, „um erneut an die Ziele zweier Weltkriege anknüpfen zu können“.

Als wir Humboldt-Professor Jörg Baberowski kritisierten, weil er im Spiegel erklärt hatte, dass Hitler „nicht grausam“ und der Holocaust im Wesentlichen das Gleiche wie Erschießungen im russischen Bürgerkrieg gewesen seien, sprangen Vertreter sämtlicher Bundestagsparteien und die meisten Medien dem rechtsextremen Professor zur Seite. Als dann dutzende Asten und tausende Studierende die Kritik der SGP übernahmen und gegen rechtsradikale Lehre protestierten, intervenierte der Geheimdienst und setzte die SGP auf die Liste der extremistischen Organisationen.

Der Fall Maaßen zeigt, wie korrekt unsere Einschätzung war. Die rechtsextremen Terrornetzwerke im Staatsapparat und die faschistische AfD sind keine Fremdkörper in einem ansonsten gesunden Organismus, sondern das schlimmste Symptom eines durch und durch kranken Systems. Wie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führt der Kapitalismus zu extremen Formen der Ungleichheit und zu immer brutaleren imperialistischen Kriegen. Das zeigt sich mit dem Nato-Krieg gegen Russland und dem israelischen Völkermord an den Palästinensern in aller Schärfe.

Die deutsche Bourgeoisie spielt dabei erneut eine besonders aggressive Rolle. Sie bereitet sich offen auf einen direkten Krieg gegen Russland vor und rüstet die Bundeswehr massiv auf, um Deutschland wieder „kriegstüchtig“ zu machen. Auch in der Flüchtlingspolitik ist das Programm der extremen Rechten längst Regierungspolitik. Erst am 18. Januar hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelparteien das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ verabschiedet, das Massendeportationen von Flüchtlingen vorbereitet.

Diese rücksichtslose Politik ist nur mit den Methoden der Diktatur und des Faschismus gegen die enorme Opposition in der Bevölkerung durchzusetzen. Das ist der Grund, weshalb die Rechten von sämtlichen Parteien gestärkt und hofiert werden – nicht nur in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Überall wendet sich die herrschende Klasse diktatorische Herrschaftsformen zu.

Doch auch der Widerstand dagegen wächst auf der ganzen Welt. Die Massendemonstrationen, die seit Wochen gegen die AfD stattfinden, zeigen wie groß die Opposition gegen die Rückkehr von Faschismus und Krieg ist. Aber sie stellen auch die Frage der politischen Perspektive in aller Schärfe. Im Kampf gegen rechts kann man sich nicht auf den bürgerlichen Staatsapparat und auf die Parteien stützen, die ihn und den Kapitalismus verteidigen und die Rechten hofieren. Nur eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse gegen den Kapitalismus kann Krieg und Faschismus stoppen.

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