Perspektive

Was Assange bei Auslieferung droht:

Mutmaßlicher WikiLeaks-Whistleblower Schulte zu 40 Jahren Haft verurteilt

Joshua Adam Schulte [Photo: Joshua Schulte/LinkedIn]

In einem brutalen Akt staatlicher Rache wurde der mutmaßliche WikiLeaks-Whistleblower Joshua Schulte am Donnerstag wegen angeblicher Verstöße gegen das US-Spionagegesetz (Espionage Act) und Vergehen gegen die „nationale Sicherheit“ zu 40 Jahren Haft verurteilt. Der 35-Jährige wurde 2022 der Übermittlung von Dokumenten an WikiLeaks, die die Hacking- und globalen Spionageoperationen der Central Intelligence Agency (CIA) aufdeckten, für schuldig befunden.

Im Fall von Schulte zeigt sich eine Verschärfung des anhaltenden Krieges gegen den Journalismus und Whistleblower. Der Computerexperte wurde praktisch als Terrorist angeklagt und verurteilt. Seine Freiheitsstrafe ist vergleichbar mit der von Personen, die schwerster Verbrechen für schuldig befunden wurden.

Abgesehen von Motiven der Rache, die in Schultes Fall eine Rolle spielen, wird an ihm ein Exempel statuiert. Vor dem Hintergrund des von Israel verübten und von den USA unterstützten Völkermords im Gazastreifen, der Vorbereitungen für umfassendere Kriege und der Unterdrückung demokratischer Rechte ist seine Verurteilung eine Botschaft, dass jeder, der die Verbrechen des Militärs und der Geheimdienste aufdeckt, wie in Saudi-Arabien oder einer anderen von den USA unterstützten Diktatur behandelt werden wird.

In erster Linie ist das Urteil ein Hinweis darauf, was die amerikanische Regierung mit dem WikiLeaks-Herausgeber Julian Assange vorhat, dem die Auslieferung aus Großbritannien an die USA droht.

Das Urteil ist umso bemerkenswerter, als die Beweislage gegen Schulte, der seine Unschuld beteuert, hauchdünn ist. Die Zweifel an seiner Schuld waren so substanziell, dass sich die Geschworenen in einem ersten Prozess gegen Schulte im Jahr 2020 nicht auf die Anklagepunkte im Zusammenhang mit dem Espionage Act und der nationalen Sicherheit einigen konnten. Der Prozess wurde wegen schwerwiegender Verfahrensfehler zu einem sogenannten „Fehlprozess“ („mistrial“) erklärt.

Schulte erklärte, dass er als Schuldiger dargestellt wurde, weil die Regierung verzweifelt einen Sündenbock für das CIA-Datenleck suchte. Als verärgerter und eigenwilliger ehemaliger CIA-Mitarbeiter wurde er fast unmittelbar nach Beginn der Veröffentlichung des Materials durch WikiLeaks im März 2017 als Verdächtiger identifiziert.

Kurz darauf wurde er wegen des Besitzes von Kinderpornographie angeklagt. Unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt zielten diese Anschuldigungen eindeutig darauf ab, Schulte den Mühlen der Justiz zuzuführen, während die Regierung bemüht war, einen Fall zu konstruieren. Das Justizministerium brauchte mehr als ein Jahr, um eine Anklageschrift gegen Schulte wegen der CIA-Lecks zusammenzuschustern.

Die Abfolge der Ereignisse deutet stark darauf hin, dass das FBI und die Regierung beschlossen, dass Schulte schuldig ist, und von da an rückwärts arbeiteten. WikiLeaks erklärte, dass das von ihnen veröffentlichte Material zu CIA-Hacking-Tools unter zahlreichen ehemaligen Regierungsmitarbeitern und Auftragnehmern zirkuliert sei.

Die Aussagen von Vertretern des Staates, die das Leck als das digitale Äquivalent zu Pearl Harbor, als einen beispiellosen Schlag gegen die „nationale Sicherheit' und ähnliches bezeichneten, wurden in dem begrenzten Medienecho, das Schultes Verurteilung hervorgerufen hat, völlig unkritisch wiedergegeben. Die Berichte gingen zudem kaum auf den Inhalt der Leaks ein.

Das Material, das von WikiLeaks „Vault 7“ getauft wurde, deutet auf eine globale CIA-Operation hin, in der Cyber-Hacking und schmutzige Tricks in einem noch nie dagewesenen Ausmaß zum Einsatz kamen. Vault 7' enthüllte unter anderem:

  • Die CIA war der weltweit größte Lieferant von Schadsoftware (Malware). Sie entwickelte Viren und Hacker-Tools für praktisch alle Betriebssysteme.

  • Die CIA hatte Programme entwickelt, die es ihr ermöglichten, Smart-TVs und andere Haushaltsgeräte zu Spionagezwecken zu hacken.

  • Indem sie sich direkt in Smartphones einhackte, konnte die CIA verschlüsselte Messaging-Apps überwinden.

  • Die CIA betrieb den Versuch, Fähigkeiten zu entwickeln, um die Computersysteme neuerer Automodelle aus der Ferne zu kontrollieren. Der einzig denkbare Zweck bestünde darin, physische Schäden anzurichten.

  • Die CIA hatte die Fähigkeit entwickelt, digitale „Beweise“ zu erstellen, um ihre eigenen schädlichen Hacking-Operationen ihren Gegnern unterzuschieben, die sie bei Kampagnen „schwarzer Propaganda“ einsetzen konnte, um andere Länder für angebliche Cyberangriffe verantwortlich zu machen.

Mit anderen Worten: Alles, was die US-Regierung anderen Staaten wie Russland und China in Bezug auf Cyber-Hacking vorgeworfen hat, wurde von der CIA weitaus umfassender und erfolgreicher betrieben.

In einer Erklärung von WikiLeaks zur Veröffentlichung von „Vault 7“ hieß es: „In einer Mitteilung an WikiLeaks erläutert die Quelle politische Fragen, die ihrer Meinung nach dringend öffentlich diskutiert werden müssen. Dazu gehört etwa die Frage, ob die Hacking-Fähigkeiten der CIA den Rahmen der ihr übertragenen Befugnisse verlassen, sowie das Problem der öffentlichen Kontrolle über den Geheimdienst. Die Quelle möchte eine öffentliche Debatte über die Sicherheit, die Herstellung, den Einsatz und die Verbreitung von sowie die demokratische Kontrolle über Cyberwaffen anstoßen.“

Die Reaktion war von rasender Wut geprägt. Einen Monat nach der ersten Veröffentlichung, hielt der damalige CIA-Direktor Mike Pompeo im April 2017 eine Rede, in der er Assange und die WikiLeaks-Mitarbeiter als „Dämonen“ und „Feinde“ verteufelte und erklärte, dass sie – ohne Rücksicht auf den ersten Zusatzartikel der US-Verfassung oder andere demokratische Rechte – wie ein „nichtstaatlicher feindlicher Geheimdienst“ behandelt würden.

Eine Untersuchung von Yahoo News aus dem Jahr 2021 sollte später enthüllen, was dies in der Praxis bedeutete. Auf der Grundlage der Äußerungen von mehr als 30 Vertretern des Staatsapparats der USA bestätigte sie, dass Pompeo, die CIA und andere Führungspersonen der Trump-Regierung, einschließlich des Präsidenten, im Jahr 2017 die illegale Entführung von Assange aus der Botschaft Ecuadors in London, wo er als politischer Flüchtling lebte, oder seine Ermordung diskutiert hatten. Das war kein leeres Geschwätz. Das Unternehmen UC Global, das für die Sicherheit der Botschaft sorgte und die physische Umgebung von Assange kontrollierte, arbeitete insgeheim für die CIA.

Erst als diese Pläne scheiterten oder aufgegeben wurden, erhob die US-Regierung Anklage gegen Assange. Im Falle einer Auslieferung drohen ihm eine Anklage unter dem Espionage Act und 175 Jahre Haft. Diese Anklage bezieht sich zwar auf separate WikiLeaks-Veröffentlichungen aus den Jahren 2010 und 2011, in denen US-Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan sowie globale Verschwörungen des Außenministeriums aufgedeckt wurden, doch Assange und WikiLeaks haben erklärt, dass „Vault 7“ und die heftige Reaktion der CIA darauf für seine verschärfte Verfolgung ausschlaggebend war.

Bei der Urteilsverkündung am Donnerstag plädierte die Staatsanwaltschaft für eine lebenslange Haftstrafe für Schulte. Laut Berichten soll einer der Ankläger erklärt haben, es bestehe die Notwendigkeit, den Angeklagten „handlungsunfähig“ zu machen. Die Ankläger forderten eine Verlängerung seiner Strafe auf der Grundlage des sogenannten „terrorism enhancement“, mit der die Strafe für eine Tat, sofern sie mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird, massiv verschärft werden kann.

Schulte hat bereits mehr als fünf Jahre unter unmenschlichen Bedingungen verbracht. Er sah sich verschärften Haftbedingungen ausgesetzt, die als „Special Administrative Measures“ bekannt sind. Es handelt sich um eine Form der Inhaftierung, bei denen die Gefangenen fast völlig isoliert und sensorischer Deprivation (Entzug von Sinneseindrücken) unterworfen werden.

Laut Inner City Press, einer der wenigen Publikationen, die ausführlich über den Fall berichtet haben, erklärte Schulte bei der Urteilsverkündung: „Die US-Regierung foltert mich rund um die Uhr mit weißem Rauschen und Einzelhaft. Das Fenster ist verdunkelt. Wenn man mir Zugang zur juristischen Bibliothek gewährt, muss ich auf den Boden urinieren und defäkieren. Man lässt mich dort 9 Stunden lang.“

Schulte fügte hinzu: „Ich bin in meinem Folterkäfig mit Nagetierkot eingesperrt worden. In der Nähe des Fensters sammelt sich Eis an. Ich wasche meine Kleidung in meiner Toilette. Ich bin gezwungen, mit meinen bloßen Händen zu essen wie ein Tier. Sie schauen auf dich herab, als wärst du kein Mensch.“

Diese Bedingungen, die an einen Kerker aus dem Mittelalter erinnern, sind das, was Assange bevorsteht, wenn er ausgeliefert wird. Die Gefahr, dass Assange seinen Verfolgern übergeben wird, ist groß. Am 20. und 21. Februar wird er vor Gericht erscheinen, wo ein Einspruch gegen den Auslieferungsbeschluss verhandelt wird. Sollte dies keinen Erfolg haben, sind Assanges Möglichkeiten im britischen Rechtssystem erschöpft.

Der Fall Schulte unterstreicht erneut die kriminelle Verfolgung von Assange, deren Methoden an die Machenschaften von Gangstern erinnern. Der mutige Journalist wird als Krimineller verfolgt, weil er die illegalen Aktivitäten der amerikanischen Regierung und ihrer Verbündeten aufgedeckt hat. Dies begann unter der Regierung von Obama und Biden (als Vizepräsident) und wurde von Trump verschärft. Heute verfolgt die Biden-Regierung das Ziel, Assanges Zerstörung zu vollenden.

Dies verdeutlicht, dass das gesamte politische Establishment, unabhängig von gewissen taktischen Differenzen, entschlossen ist, immer stärker auf autoritäre Herrschaft zu setzen, um eine globale Kriegspolitik zu verfolgen und wachsender sozialer und politischer Opposition entgegenzutreten.

Dass der Angriff auf Assange, nicht nur in den USA, sondern auch in Großbritannien und seinem Heimatland Australien von allen Parteien gleichermaßen geführt wird, macht deutlich, wie aussichtslos es ist, seine Freiheit durch Appelle an die Machthaber zu erreichen. Diese Perspektive wurde bereits ausprobiert und ist gescheitert.

Die Alternative dazu besteht darin, die Arbeiterklasse zur Verteidigung von Assange zu mobilisieren. Das ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Überall auf der Welt protestieren Massen von Menschen gegen den Völkermord in Gaza. Die Anti-Kriegs-Stimmung ist enorm, und diejenigen, die ihn kennen, sehen Assange trotz des Schweigens der Medien zu Recht als Helden.

Diese Stimmungen müssen sich zu einer Bewegung entwickeln, die für seine Freiheit kämpft, und sich dabei gegen die Regierungen, ihre Kriege und das kapitalistische System stellen, das die Ursache von Militarismus und Diktatur ist. Die Arbeiterklasse muss für die Befreiung von Joshua Schulte, Julian Assange und all denjenigen eintreten, die die Verbrechen des Imperialismus aufdecken.

Loading