Arktische Winde bringen tödliche Kälte für 231 Millionen Menschen in den USA

Ein arktischer Sturm mit brutaler Kälte hat am Wochenende weite Teile der Vereinigten Staaten heimgesucht und dabei Rekordtiefsttemperaturen, Schneestürme und starke Winde mitgebracht. Es gab vereinzelte Berichte über Todesfälle unter Obdachlosen und anderen von der Kältewelle Betroffenen, es wird jedoch keine systematische nationale Erhebung durchgeführt, um die Auswirkungen zu überwachen.

Wie auch bei anderen extremen Wetterereignis der letzten Jahrzehnte hat der sogenannte „Bomben-Zyklon“ den maroden Zustand der US-Infrastruktur offenbart. Er zeigt auch die mangelnde Vorbereitung der Behörden auf das Ereignis und eine gefühllose Gleichgültigkeit gegenüber den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen.

Mehr als 100 Millionen Menschen von der kanadischen bis zur mexikanischen Grenze leben derzeit in einem Gebiet mit Warnung vor den Auswirkungen des Extremwetters. Praktisch alle US-Bundesstaaten haben irgendeine Art von Winterwetterwarnung herausgegeben.

Der Nationale Wetterdienst meldete, dass in den Great Plains östlich der Rocky Mountains eine Kälte von bis zu -35 Grad Celsius erreicht wird und in Montana sowie den Dakotas bis zu -50 Grad Celsius. Temperaturen in diesen extremen Minusbereichen können innerhalb von 5 Minuten zu Erfrierungen führen.

Es wird erwartet, dass der arktische Sturm bis Ende der Woche 79 Prozent der USA von Oregon bis Mississippi und Florida betreffen wird, wobei mehr als 231 Millionen Amerikaner unterdurchschnittliche Temperaturen erleben werden.

Viele Gebiete des Landes sind nicht auf das strenge Winterwetter vorbereitet und sehen sich gezwungen, Notmaßnahmen zu ergreifen. Viele Schulbezirke in haben den Unterricht abgesagt. Mancherorts rufen Behörden und Bürgermeister die Bevölkerung auf, im Haus zu bleiben. Die Temperaturen sollen am Dienstag den Tiefststand erreichen.

Nach Angaben der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) handelt es sich bei einem „Bomben-Zyklon“ um einen Sturm, der sich rasch aufbaut und einen erheblichen Luftdruckabfall erfährt. Ein solches Wetter entwickelt sich typischerweise über dem Ozean oder vor einer Küste. Der Wirbelsturm beginnt in den gemäßigten Breiten und gewinnt schnell an Stärke, wobei der Luftdruck in seinem Zentrum rasch abfällt. Dieser Prozess wird „Bombogenese“ genannt, daher die entsprechend reißerische Benennung des Wetterphänomens in den Medien.

Von den Meteorologen als Wintersturm „Heather“ bezeichnet, nimmt der Zyklon auf seinem Weg von Süden nach Nordosten in dieser Woche frische arktische Luft auf, wodurch es infolge zu Schneefällen und Vereisungen kommt. Der plötzliche Temperaturabfall ist auf das Entweichen arktischer Luft aus dem Polarwirbel zurückzuführen, einem Windwirbel in großer Höhe, der von einem niedrigeren Luftmassenband, dem so genannten polaren Jetstream, umgeben ist.

In einem Artikel in Scientific American heißt es dazu: „Wenn der Polarwirbel gestört wird, kann sich der Jetstream wellenförmig ausbreiten und bei einem arktischen Sturm kalte Luft viel weiter nach Süden tragen als üblich. Manchmal bringt diese eisige Luft Schnee und Eis, manchmal ist das Wetter trocken, aber bitterkalt.“

Während die Wissenschaftler noch an die genaue Ursache für die Störungen des Polarwirbels erforschen, weisen viele Experten darauf hin, dass der Klimawandel wahrscheinlich eine Rolle spielt. Judah Cohen, Klimawissenschaftler bei der Firma Verisk Atmospheric and Environmental Research, erklärt gegenüber Scientific American, dass das schmelzende Meereis bei Skandinavien und die starken Schneefälle in Sibirien in diesem Winter einen thermischen Gegensatz erzeugten, der für eine wellenförmige Ausbreitung des polaren Jetstream sorgt.

Der Polarwirbel bildet sich in der Regel im Januar, so Cohen. Daher sei es nur logisch, dass die starke Abkühlung durch einen arktischen Windstoß jetzt zu spüren ist, da die benannten Entwicklungen trotz ihrer geografischen Entfernung dieses Pränomen begünstigt haben. Cohen sagte zudem hinzu, dass der aktuelle Sturm „sehr beeindruckend sein wird - sicherlich einer der beeindruckendsten arktischen Winde überhaupt in diesem Jahrhundert“.

Das extrem kalte Wetter hat einmal mehr gezeigt, wie anfällig die Energieinfrastruktur in den USA ist. Ungefähr 200.000 Kunden von DTE Energy und Consumers Energy in Michigan waren seit Freitag während der Schneestürme in der Region der Großen Seen ohne Strom.

Das texanische Stromnetz war stark beansprucht und verzeichnete am Montag einen neuen Nachfragerekord. Der Electric Reliability Council of Texas (ERCOT) meldete, dass in den Wintermonaten die höchste Stromnachfrage im Netz jemals verzeichnet wurde. Den zweiten Tag in Folge hat ERCOT in Erwartung möglicher Stromausfälle einen Ernergiesparappell veröffentlicht, diesmal für Dienstagmorgen von 6.00 bis 10.00 Uhr.

Hinweisschild an einer Autowaschanlage in Illinois, 14. Januar 2024 [AP Photo/Nam Y. Huh]

Die texanische Behörde gab am Montag eine Erklärung ab, in der es heißt: „Der morgige Aufruf zur Energieeinsparung bedeutet nicht, dass sich ERCOT derzeit in einer Notlage befindet. ERCOT wird die Lage aufmerksam beobachten und weitere Informationen ausgeben, falls sich die Bedingungen aufgrund der anhaltend kalten Temperaturen und der sehr hohen Nachfrage in den Morgenstunden ändern.“

Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind mindestens 15 Menschen an den Folgen des strengen Winters in verschiedenen US-Bundesstaaten gestorben:

  • Wisconsin: Die Todesfälle von drei Obdachlosen in Milwaukee, Wisconsin, werden als Fälle von Unterkühlung untersucht. Ein 64-jähriger Mann wurde unter einer Brücke entdeckt und ein 69-jähriger Mann wurde in einem Fahrzeug gefunden, das er als Unterschlupf benutzt hatte. Ein 40-jähriger Mann wurde heute kurz vor 10 Uhr tot „auf einer Heizungsanlage in der Nähe der Bahngleise“ aufgefunden, wie das Milwaukee County Medical Examiner's Office mitteilte. Ein weiterer Mann aus Wisconsin starb am Freitag beim Schneeräumen seiner Einfahrt im Milwaukee-Vorort Franklin.
  • Illinois: Am Freitag wurde in dem Chicagoer Vorort Schiller Park ein Mann tot aufgefunden, der offenbar der Kälte ausgesetzt war.
  • Michigan: Ein 60-jähriger Obdachloser wurde am Sonntagmorgen in Orion Township, einem Vorort von Detroit in Oakland County, tot aufgefunden. Presseberichten zufolge war er über Nacht an den Folgen fehlenden Schutzes vor der Kälte gestorben.
  • Idaho: In Idaho wird ein Mann vermisst, von dem man annimmt, dass er tot ist, nachdem er am Donnerstag zusammen mit zwei anderen in einer Lawine nahe der Grenze zu Montana verschüttet wurde.
  • Mississippi und Arkansas: Am Samstag kamen zwei Autofahrer bei verschiedenen Unfällen im Schnee ums Leben, einer in Humphrey County, Mississippi, und der andere in White County, Arkansas.
  • Oregon: Ebenfalls am Samstag stürzten in Portland und Lake Oswego, Oregon, Bäume um und töteten zwei Menschen. Die Todesfälle von zwei weiteren Männern wurden als Fälle von Unterkühlung untersucht.
  • Utah: Nachdem in Utah innerhalb von 24 Stunden fast ein Meter Schnee in den Bergen gefallen war, wurde am Sonntagabend ein Motorschlittenfahrer in der Nähe von Salt Lake City von einem Sattelschlepper erfasst und getötet, als er die Straße kreuzte.

Das katastrophale Ausmaß der Obdachlosigkeit in den USA wird im Winter deutlich, wenn die Zahl der Todesfälle durch Unterkühlung stark zunimmt. In Seattle beispielsweise erreichte die Zahl von Todesfällen bei Obdachlosen im Jahr 2023 einen Rekord von 415, wie aus den Daten des King County Medical Examiner's Office hervorgeht. Das war ein Anstieg von 34 Prozent gegenüber dem bisherigen Rekord von 309 Todesfällen im Jahr 2022.

Die US-Regierung erhebt die Todesfälle unter Obdachlosen nicht offiziell. Wenn eine obdachlose Person stirbt, wird dieser Status nur selten erfasst. Nach Schätzungen der National Coalition for the Homeless sterben jedes Jahr etwa 700 wohnungslose Menschen an Unterkühlung.

Auch die Politik der kapitalistischen Regierungen weltweit im Umgang mit der Covid-Pandemie nimmt in Kauf, dass Millionen Menschen an einer völlig vermeidbaren Krankheit sterben. In ähnlicher Art wird die zunehmende Zahl von Todesfällen durch extreme Wetterereignisse, einschließlich der gegenwärtigen tödlichen arktischen Kälte und des Wintersturms, als unvermeidlich akzeptiert.

Tatsächlich sollte die Öffentlichkeit nicht Tod und Zerstörung durch Wirbelstürme, Tsunamis, Tornados und „Bomben-Zyklone“ als unvermeidlich akzeptieren. Die schlimmsten Auswirkungen haben dabei grundsätzlich die Arbeiterklasse und die Armen zu tragen. Die kapitalistische Milliardärselite wird keine Maßnahmen ergreifen, um die Auswirkungen von Unwettern zu verhindern, da dies ihre Profite und ihre Vermögensbildung schmälern würde. Ebenso wenig lässt sie angemessene Hilfe für die Betroffenen zu.

Die Arbeiterklasse kann und muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den existenziellen Bedrohungen durch das kapitalistische System ein Ende zu setzen. Dies betrifft die Gefahr eines Atomkriegs ebenso wie die Klimakatastrophe und Pandemien. Hierzu muss sie sich international organisieren und für eine sozialistische Weltrevolution kämpfen.

Loading