Perspektive

Wilders Wahlerfolg: Wie können Krieg und Faschismus gestoppt werden?

Der Wahlsieg des Rechtsextremisten Geert Wilders bei den niederländischen Parlamentswahlen ist das Produkt des völligen Bankrotts der ehemals linken Kräfte und zugleich Ausdruck des Rechtsrucks des gesamten politischen Establishments. Der Kampf gegen Faschismus und Krieg erfordert deshalb eine unabhängige und sozialistische Bewegung der Arbeiterklasse.

Wilders Partei für die Freiheit (PVV), die berüchtigt ist für ihre Hasskampagnen gegen den Islam und gegen Migranten, verdoppelte ihren Stimmenanteil auf knapp 25 Prozent. Die PVV wurde damit in der zersplitterten niederländischen Parteienlandschaft mit Abstand stärkste Kraft.

Wilders hat sogar Chancen, nächster Regierungschef im wirtschaftlich fünftgrößten Land der EU zu werden. Die rechtsliberale VVD des noch amtierenden Ministerpräsidenten Mark Rutte und die neugegründete NSC des abtrünnigen Christdemokraten Pieter Omtzigt haben ihre Bereitschaft angedeutet, ihm eine Mehrheit zu verschaffen.

Ob Wilders am Ende eine Regierung anführen wird, ist nicht die entscheidende Frage. Die Politik der Faschisten wird umgesetzt werden und der Rechtsruck aller Parteien der Bourgeoisie wird sich weiter beschleunigen. Die etablierten Parteien und die Medien werden die Übernahme des Programms der extremen Rechten wie immer damit rechtfertigen, dass man die „Sorgen der Bevölkerung“ ernst nehmen müsse. In Wirklichkeit ist es die Förderung der Rechtsextremen durch die herrschende Klasse, die ihnen den Weg an die Macht ebnet.

Wie auch immer die Regierungsverhandlungen in den Niederlanden ausgehen, sind Arbeiter in ganz Europa mit einem extremen Rechtsschwenk der gesamten herrschenden Klasse konfrontiert. Faschistische Kräfte sind längst in etliche Regierungen integriert und ihr Programm von Krieg, Flüchtlingshetze und Diktatur wird auf dem ganzen Kontinent ins Werk gesetzt.

Sämtliche Regierungen Europas und alle etablierten Parteien unterstützen den Genozid, den die rechtsextreme israelische Regierung in Gaza verübt. Die gesamte Bevölkerung wird als Geisel genommen, ausgehungert und einem permanenten Bombardement ausgesetzt, was schon jetzt bis zu 20.000 Menschen das Leben gekostet hat, darunter mindestens 7.000 Kindern. Auf dem ganzen Kontinent wird diese im Kern faschistische Politik von einer widerwärtigen Hetze gegen Muslime – also dem Programm, das die extreme Rechte seit Jahren ins Zentrum stellt – und Attacken auf Kriegsgegner begleitet. Demokratische Grundrechte werden abgeschafft.

Zur gleichen Zeit arbeiten dieselben Regierungen in der Ukraine mit den Erben der Nazi-Kollaborateure, mit Antisemiten und Faschisten zusammen, um ihren Stellvertreterkrieg gegen Russland zu führen. 78 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rollen deutsche Panzer wieder gegen Russland. In ganz Europa findet eine horrende Aufrüstung statt. Deutschland und die Niederlande haben ihre Militärhaushalte in den letzten Jahren bereits verdoppelt und ihre Armeen aufs Engste integriert.

Diese wahnsinnige Kriegspolitik geht mit einer extremen sozialen Verwüstung in allen europäischen Ländern einher. Die Inflation dezimiert die Löhne der Arbeiter, Gesundheit und Bildung werden zusammengestrichen und die letzten Sozialprogramme gestrichen. Selbst den offiziellen Zahlen zufolge sind die Reallöhne in den Niederlanden im letzten Jahr um sieben Prozent gesunken.

Diese Politik des Kriegs und der Kürzungen trifft auf eine enorme Opposition in der Arbeiterklasse. Die Millionenproteste in Frankreich gegen Macrons Rentenkürzungen, Massenstreiks in Großbritannien gegen Reallohnsenkung und Streikverbot und die riesigen Demonstrationen gegen den Völkermord in Gaza sind nur der Beginn umfassender Klassenkämpfe.

Die extreme Rechte wird von der herrschenden Klasse bewusst aufgebaut, um diese Opposition brutal zu unterdrücken. In Italien wurde Giorgia Meloni an die Macht gebracht, deren politischer Stammbaum in direkter Linie auf Mussolini zurückgeht. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) arbeitet aufs Engste mit ihr zusammen, um die Massendeportation von Flüchtlingen zu organisieren und die Sozialkürzungen umzusetzen. In Frankreich marschierten Macrons Minister zusammen mit der Faschistin Marine Le Pen, um den Völkermord in Gaza zu bewerben. In Deutschland ist die AfD voll in die parlamentarische Arbeit integriert und rechtsextreme Terrornetzwerke im Staatsapparat werden von den höchsten Stellen gedeckt.

Auch in den Niederlanden wurde Wilders im Wahlkampf systematisch hofiert. Sämtliche Parteien hatten sein Programm übernommen und die Einwanderung ins Zentrum ihrer Kampagnen gestellt. Es war ein durchsichtiger Versuch, Flüchtlinge und Migranten zum Sündenbock für die tiefe soziale Krise, den akuten Wohnungsmangel und steigende Gesundheitskosten zu machen. Eine Politik, die alle großen Parteien im Interesse des Finanzkapitals verfolgen.

Dass es Wilders und den anderen rechtsextremen Parteien gelingt, sich trotzdem als Kraft gegen das Establishment zu gerieren und die Frustration über die Politik auf ihre reaktionären Mühlen zu lenken, ist das Resultat des völligen Bankrotts der offiziell linken Kräfte. Sie stehen so offen im Kriegslager, dass sogar rechtsextreme Kräfte, die den Nato-Krieg gegen Russland von einem nationalistisch-militaristischen Standpunkt kritisieren, die Antikriegsstimmung in der Bevölkerung bis zu einem gewissen Grad ausschlachten können. Es gibt heute buchstäblich keine Partei mehr, die auch nur in Ansätzen die Interessen der arbeitenden Bevölkerung vertritt.

Olaf Scholz, Keir Starmer oder Joe Biden, der sich in den USA als Freund der Arbeiter ausgibt, stehen alle für die Politik von Völkermord, Krieg und Sozialangriffen. Die niederländische Arbeiterpartei (PvdA) spielte dabei eine Vorreiterrolle. Das sogenannte „Polder-Modell“, das in den 1980er Jahren eine enge Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften, Unternehmerverbänden und Regierung etablierte, diente den sozialdemokratischen Regierungschefs Tony Blair (Großbritannien) und Gerhard Schröder (Deutschland) als Blaupause für ihre umfassende soziale Konterrevolution.

Zur jüngsten Parlamentswahl trat die PvdA unter Führung des langjährigen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, an, der die arbeiterfeindliche Politik der EU verkörpert und den Ukrainekrieg und den israelischen Genozid in Gaza vehement unterstützt. Obwohl sich die PvdA mit den Grünen zusammenschloss, kamen die beiden Parteien zusammen nur auf 15,5 Prozent.

Die zentrale Rolle dabei, Arbeitern und Jugendlichen die Möglichkeit zu verwehren, für eine linke Opposition gegen die ausländerfeindliche Hasskampagne zu stimmen, spielte die ehemalige maoistische Sozialistische Partei (SP). Diese Partei, die in den letzten Jahren in verschiedenen Umfragen bis zu 30 Prozent Unterstützung erhielt, kam nur noch auf 3,1 Prozent der Stimmen. Im Wahlkampf agitierte sie selbst für eine härtere Politik gegenüber Asylbewerbern und forderte, „die Wirtschaftsmigration vorübergehend zu stoppen“.

Ihre Schwesterparteien im Europaparlament haben, wo immer sie an Regierungen beteiligt waren, die Politik des Militarismus und der Sozialkürzungen besonders aggressiv durchgesetzt. Syriza schloss 2015 in Griechenland eine Koalition mit der rechtsradikalen ANEL, um die brutalsten Sozialkürzungen durchzusetzen. Podemos trat 2020 in die spanische PSOE-Regierung ein und unterstützt seitdem aktiv die Kürzungs- und Kriegspolitik.

Die Gewerkschaften haben sich in Polizeikräfte der Unternehmen verwandelt, die den mit Macht aufbrechenden Klassenkampf unterdrücken und das Diktat der Regierungen durchsetzen. Allein in diesem Jahr haben sie die Streikbewegungen in Frankreich, Großbritannien, Deutschland und vielen anderen Ländern abgewürgt und den Arbeitern massive Reallohnkürzungen aufgezwungen.

Diese Unterdrückung des Klassenkampfs und das Fehlen jeder linken Alternative im offiziellen Parteienspektrum führen dazu, dass inmitten der tiefsten Krise des Kapitalismus seit den 1930er Jahren die rechtesten Kräfte dominieren und sogar Wahlen gewinnen können.

Doch anders als damals, als die herrschende Klasse faschistische Massenbewegungen nutzte, um die organisierte Arbeiterschaft zu zerschlagen, verfügen die Rechtsextremisten heute über keine Massenorganisationen. Das macht die Situation nicht weniger gefährlich. Sie verfügen über erheblichen Einfluss und kontrollieren weite Teile des staatlichen Repressionsapparats, der gegen die Arbeiterklasse eingesetzt wird, um jede Opposition zu unterdrücken und zu terrorisieren.

Aber wo sie die Regierung stellen oder an ihr beteiligt sind, nimmt die Wut und Opposition in der Arbeiterklasse noch schärfere Formen an. Doch der Kampf gegen die Rechtsextremisten kann nur erfolgreich sein, wenn er eine klare politische Perspektive hat. Die Bewegung darf sich nicht nur gegen Wilders, Meloni und Co. richten, sondern muss gegen die gesamte kapitalistische Ordnung, ihre Parteien und ihren Staatsapparat und für den Sozialismus kämpfen. Die zentrale Frage, mit der Arbeiter und Jugendliche dabei konfrontiert sind, ist der Aufbau einer eigenen revolutionären Führung.

Wenn „liberale“ und pseudolinke Politiker in der ein oder anderen Sonntagsrede zur „Einheit der Demokraten“ gegen Rechtsextremisten aufrufen, geht es ihnen darum, die Unterdrückung des Klassenkampfs aufrecht zu erhalten und die rechteste Politik durchzusetzen. Es dient nicht dem Kampf gegen die extreme Rechte, sondern ihrer Stärkung.

Die Einheitsfront sämtlicher Parteien in ihrer völkermörderischen und kriminellen Politik hat tiefe objektive Ursachen. „Zu hohe Spannung des internationalen Klassenkampfes führt zum Kurzschluss der Diktatur, die Sicherungen der Demokratie schlagen eine nach der anderen durch,“ hatte Leo Trotzki 1929 geschrieben. Wie damals bietet die kapitalistische Krise nur zwei Alternativen: Diktatur und Krieg oder sozialistische Revolution.

Die Massenproteste gegen Israels Genozid und die Streiks, die sich überall entwickeln müssen in eine mächtige Bewegung gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft entwickelt werden. Dafür kämpft die Sozialistische Gleichheitspartei zusammen mit ihren Schwesterparteien in Großbritannien, Frankreich und der Türkei bei den Europawahlen im nächsten Jahr. Unterstützt jetzt unseren Wahlkampf und baut das Internationale Komitee der Vierten Internationale als neue Massenpartei der Arbeiterklasse auf, um Krieg und Faschismus zu stoppen.

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