Lindners Kriegshaushalt

Der Bundeshaushalt 2024, den Finanzminister Christian Lindner (FDP) am Dienstag in den Bundestag einbrachte, ist in doppelter Hinsicht ein Kriegshaushalt: Er plant Rekordausgaben für Krieg und Aufrüstung und erklärt der Arbeiterklasse den Krieg, indem er die Sozialausgaben deutlich senkt.

Finanzminister Christian Lindner während einer Rede im Bundestag [Photo by DBT / Leon Kügeler / photothek]

Geht es nach der Ampelkoalition, wird Deutschland im kommenden Jahr 85,5 Milliarden Euro für militärische Zwecke ausgeben, die höchste Summe seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Das ist mehr, als die Militärausgaben jedes anderen europäischen Landes, einschließlich Russlands. Deutschland soll so zur militärischen Führungsmacht Europas aufgebaut werden.

Im Etatentwurf des Verteidigungsministeriums werden zwar nur Ausgaben in Höhe von 51,8 Milliarden Euro ausgewiesen, 1,7 Milliarden mehr als im laufenden Jahr. Doch hinzu kommen 19,2 Milliarden aus dem Sondervermögen Bundeswehr sowie weitere Ausgaben, die in anderen Etats versteckt sind. Allein der Ukraine hat Lindner bis 2027 jedes Jahr 5 Milliarden Euro militärische Hilfe versprochen. Zusammen belaufen sich die Militärausgaben so auf 85,5 Milliarden Euro – die Summe, die Deutschland gegenüber der Nato angibt.

Den Militärausgaben in Rekordhöhe stehen Kürzungen bei allen Sozialausgaben gegenüber. Sämtliche Ressorts mit Ausnahme des Verteidigungsministeriums mussten geplante Ausgaben kürzen. Mit insgesamt 445,7 Milliarden Euro sind für den Bundeshaushalt 2024 rund 30 Milliarden weniger als für den diesjährigen Haushalt eingeplant.

Lindner und die Ampelkoalition pochen darauf, die sogenannte Schuldenbremse einzuhalten. Die Neuverschuldung soll 2024 mit 16,6 Milliarden Euro nur noch ein Drittel der diesjährigen betragen. Trotzdem wird der Bund wegen der steigenden Zinssätze 37 Milliarden Euro für Zinsen an die Banken überweisen. Das ist doppelt so viel wie der gesamte Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums.

Die Kürzungen bei den Sozialausgaben sind teilweise dramatisch. Am deutlichsten zeigt sich das beim Gesundheitsetat, der von 24,5 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 16,2 Milliarden im kommenden Jahr sinkt. 2022 hatte er noch 64,4 Milliarden betragen. Diese Kürzung um drei Viertel hängt zum Teil damit zusammen, dass die Regierung die Gelder zur Überwachung und Bekämpfung von Covid 19 fast vollständig gestrichen hat, obwohl sich die Pandemie in immer neuen Varianten weiter ausbreitet. Auch für die Erforschung und Heilung von Long Covid steht kaum Geld zur Verfügung, obwohl Hunderttausende darunter leiden.

Für die Krankenhäuser und ihre Beschäftigten hat die Kürzung des Gesundheitsetats verheerende Folgen. Viele werden Pleite gehen. Der Arbeitsstress, der schon jetzt kaum zu ertragen ist, wird sich weiter verschärfen, da immer mehr wegen der miserablen Bezahlung den Beruf verlassen.

Auch die Kinderarmut wird weiter steigen, obwohl laut Statistischem Bundesamt schon jetzt rund ein Viertel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Von der Kindergrundsicherung über die sich Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und der Finanzminister wochenlang gestritten haben, ist nichts übriggeblieben.

Von den 2,4 Milliarden zusätzlichen Euros, auf die sich die Ampel schließlich einigte, wird kein zusätzlicher Cent bei den Kindern ankommen. Sie reichen gerade aus, um die zusätzlichen Verwaltungskosten und die ohnehin geplante Erhöhung der verschiedenen Leistungen zu finanzieren, die nun zur Kindergrundsicherung zusammengelegt werden.

Die FDP stellte zudem klar, dass dies die letzte „Sozialreform“ sei, der sie zugestimmt habe. Ab nun solle es überhaupt keine weiteren Sozialreformen mehr geben, die Steuergelder oder neue Schulden kosteten.

Viele andere Kürzungen, die zahlenmäßig weniger ins Gewicht fallen, haben weitreichende Auswirkungen. Mehrere Sozialleistungen, die das Leben von einkommensschwachen Familien bisher etwas erleichterten, werden fast vollständig gestrichen. Die Gelder für das Müttergenesungswerk und Familienferienstätten sinken um jeweils 93 Prozent, für Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätten um 77 Prozent, für freie Jugendhilfe um 19 Prozent, für Wohngeld um 16 Prozent und für BAföG um 24 Prozent.

Um den Kriegshaushalt zu finanzieren, werden in den nächsten Jahren noch umfassendere Angriffe vorbereitet. Der mit Abstand größte Posten des Bundeshaushalts entfällt mit 172 Milliarden Euro auf das Arbeits- und Sozialministerium. 127 Milliarden Euro davon sind zur Unterstützung der Rentenversicherung eingeplant. Ausgaben, die vom Standpunkt der herrschenden Klasse schlicht inakzeptabel sind.

Die Renten wurden bereits vor 20 Jahren im Rahmen der Agenda 2010 der Regierung Schröder/Fischer massiv gekürzt. Der Rentenwert wurde gesenkt und die Rente mit zusätzlichen Steuer- und Sozialabgaben belastet. Die erste Regierung von Angela Merkel erhöhte dann das Renteneintrittsalter schrittweise von 65 auf 67 Jahre, was praktisch auf eine weitere Senkung der Renten hinauslief.

Da aber als Folge der Agenda 2010 auch das Lohnniveau und damit die Beiträge zur Rentenkasse sanken und die Regierung immer neue Lasten auf diese abwälzte, stieg trotzdem der staatliche Zuschuss zur Rentenkasse. Vertreter der herrschenden Klasse fordern bereits, die Kürzungsorgie bei Renten, Pflege und Sozialleistungen weiter zu verschärfen.

So sagte der CDU-Haushaltsexperte Mathias Middelberg der Nachrichtenagentur Reuters: „Die Einsparungen im Haushaltsentwurf 2024 sind minimal. Vielfach wird nur umgebucht zulasten der Renten- oder Pflegekasse.“ Vor allem der riesige Sozialetat könnte reduziert werden. Vier Millionen Bürgergeld-Empfänger seien erwerbsfähig, arbeiteten aber nicht.

Auch der Bundesrechnungshof, eine Bundesbehörde, die nicht der Kontrolle der Regierung untersteht, hat den Haushaltsentwurf scharf angegriffen. Er warf der Regierung vor, die tatsächliche Neuverschuldung in Nebenhaushalten wie dem 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr zu verstecken. Allein in den Jahren 2020 bis 2022 seien so insgesamt rund 400 Milliarden Euro der limitierenden Funktion der Schuldenbremse entzogen worden.

Nun kämen gewaltige Kosten auf den Bundeshaushalt zu. Ab 2028 würden mindestens 11 und ab 2031 mindestens 17 Milliarden jährlich zur Tilgung dieser Schulden fällig. Hinzu käme ab 2028 die Rückzahlung der Kredite für den Wiederaufbaufonds der Europäischen Union. „Der Bundesrechnungshof kann noch keine Strategie und auch keine konkreten Maßnahmen erkennen, wie die Tragfähigkeit des Bundeshaushalts mittel- und langfristig gewährleistet werden soll“, heißt es in dem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags.

Die 400 Milliarden Euro, von denen der Bundesrechnungshof spricht, flossen neben der Aufrüstung fast vollständig auf die Konten der großen Konzerne und Banken. Sie erhielten Milliarden staatliche Gelder, damit die Profite auch während der Pandemie, dem Ukrainekrieg und der durch den Krieg ausgelösten Inflation weiter sprudelten. Während die Gewerkschaften Tarifabschlüsse weit unter der Inflationsrate abschlossen und die Reallöhne sinken, bewegen sich die Aktienkurse von Rekord zu Rekord. Die 40 Dax-Unternehmen meldeten für das Jahr 2022 neue Rekorde bei Umsatz und Gewinn. Ihr Gewinn vor Zinsen und Steuern betrug 171 Milliarden Euro.

Doch diese Gelder sind für die Regierung tabu. Dasselbe gilt für die gewaltigen Vermögen, die einige Milliardäre angehäuft haben – laut Forbes besaßen die zehn reichsten Deutschen 2023 zusammen über 200 Milliarden Dollar. Neben der Einhaltung der Schuldenbremse lautet das Mantra der Haushaltspolitik der Bundesregierung: „Keine Steuerhöhungen.“ Profite werden nur mäßig und Vermögen überhaupt nicht besteuert.

Alle Parteien, die derzeit im Bundestag und den Länderparlamenten sitzen, unterstützen diesen Kurs – auch die Linke, die hie und da Kritik äußert, aber dieselbe Politik verfolgt, sobald sie in einer Regierung sitzt.

Lindners Kriegshaushalt ist der Auftakt zu heftigen Klassenauseinandersetzungen. Die Arbeiterklasse kann sie nur gewinnen, wenn sie sich unabhängig organisiert, den Kampf gegen den Kapitalismus aufnimmt und sich international zusammenschließt, um die Gesellschaft nach sozialistischen Grundsätzen zu reorganisieren. Für dieses Programm treten die Sozialistische Gleichheitspartei und das Internationale Komitee der Vierten Internationale ein.

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