Oppenheimer: Ein Drama über den „Vater der Atombombe“

Christopher Nolans Film Oppenheimer, eine Biografie des Physikers J. Robert Oppenheimer (1904–1967), wurde in den Wochen vor dem Kinostart am 21. Juli umfangreich beworben. Viele Zuschauer könnten zu Unrecht gedacht haben, es handele sich um ein weiteres Spektakel technischer Spezialeffekte des Regisseurs von drei umfangreichen Batman-Filmen.

Doch trotz dieser anfänglich vielleicht auftretenden Missverständnisse zeigt der anhaltende Erfolg von Oppenheimer an den Kinokassen, dass sich die Zuschauer auch von etwas mehr als nur Spektakel angezogen fühlen. Der Film ist visuell beeindruckend und wurde mit IMAX-Kameras gedreht, was für ein eindringliches Erlebnis sorgt. Doch Oppenheimer ist auch ein ernsthafter und angemessen verstörender Film über Atomwaffen und Atomkrieg. Er will seine Zuschauer erschüttern, und das gelingt ihm auch.

Oppenheimer

Die wirklichen Schwächen des Films sind nicht so sehr die Versäumnisse des Drehbuchautors und Regisseurs. Sie offenbaren vielmehr allgemeine Probleme, die mit dem Verständnis des Zweiten Weltkriegs und den politischen Realitäten in der Mitte des 20. Jahrhunderts zusammenhängen.

Zweifellos spricht Nolan die starken Ängste vor den Gefahren und Schrecken eines atomaren Armageddon an – Ängste, die vielleicht seit den späten 1950ern und frühen 1960ern nicht mehr so groß waren. Aus dieser Ära stammen Filme wie Hiroshima, Mon Amour (1959), Das letzte Ufer (1959), Dr. Seltsam (1964) und Angriffsziel Moskau (1964). Die Biden-Regierung und ihre Nato-Verbündeten beharren weiterhin unbekümmert darauf, sie würden sich von der Gefahr eines atomaren Konflikts nicht „abschrecken“ lassen, und die Möglichkeit eines solchen Konflikts wird in US-Zeitungen und -Fernsehsendungen offen diskutiert.

Dass Oppenheimer auf große Resonanz beim Publikum stößt, deutet darauf hin, dass in der breiten Masse der Bevölkerung eine ganz andere Stimmung herrscht – dass sie zutiefst entsetzt ist über die Möglichkeit des Einsatzes von Atombomben. Man kann Nolans Film von verschiedenen Standpunkten aus kritisieren, aber kein objektiver Beobachter kann behaupten, dass er diese Stimmung nicht fördert und vertieft. Das Engagement einer herausragenden Besetzung darunter Cillian Murphy, Matt Damon, Robert Downey Jr., Emily Blunt, Florence Pugh, Kenneth Branagh, Gary Oldman und Rami Malek für ein Projekt, das eindeutig ein Antikriegsfilm ist, verdient Beifall.

Die Eröffnungssequenz vermittelt einen Einblick in die theoretischen wissenschaftlichen Paradoxa, mit denen sich der junge Physiker Oppenheimer (Murphy) herumschlägt. Regentropfen in einem Teich, die sich in Wellen ausbreiten. Partikel und Wellen. Lichtblitze am dunklen Himmel. Ein riesiger Feuerball bricht aus, der von winzigen glitzernden Sternen durchbrochen wird. Möglicherweise die Sonne oder aber künftige Atomexplosionen. Diese Bilder tauchen im Laufe des Films immer wieder auf und stellen jedes Mal den Übergang zu Oppenheimers Leben dar.

Nolan stellt die revolutionären Theorien aus Oppenheimers Jugend sofort in den Kontext ihrer Zeit – einer Zeit innovativer Experimente in Kunst, Literatur, Musik und Wissenschaft. Der Film verwickelt das Publikum zwar in eine fesselnde Geschichte, er ist jedoch nie linear. Im Grunde gibt es drei miteinander verknüpfte Handlungsstränge: Oppenheimers Leben und Karriere in den späten 1930ern und frühen 1940ern, was zu seiner Rolle bei der Entwicklung der Atombombe in Los Alamos (New Mexico) zwischen 1943 und 1945 führt, die Anhörung vor der Atomic Energy Commission (AEC), bei der Oppenheimer seine Sicherheitsfreigabe entzogen wird, und die damit seine Karriere bei der US-Regierung beendet, und der Untergang seines Erzfeinds Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) 1958.

AEC-Anhörung 1954, Emily Blunt und Cillian Murphy

Nolans Film basiert auf der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Biografie American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer von Kai Bird und Martin Sherwin aus dem Jahr 2005. Bird und Sherwin werden als Co-Autoren des Drehbuchs aufgeführt.

Das Narrativ entfaltet sich während der antikommunistischen Hexenjagd der AEC im Jahr 1954, wobei der Zeitrahmen der Geschichte durch den Handlungsfaden dieses bösartigen Verhörs verdreht wird. Der Haupthandlungsstrang wird aus Oppenheimers Blickwinkel dargestellt. Tatsächlich hat Noland das Drehbuch in der ersten Person verfasst und damit die meisten beteiligten Schauspieler überrascht.

Im Jahr 1942 ist Oppenheimer Professor der aufstrebenden Disziplin der Quantenmechanik an der University of California in Berkeley; er hegt linke Ansichten und unterhält Beziehungen zu Linken. Er wird von General Leslie Groves (Matt Damon) rekrutiert, um eine streng geheime militärische Einrichtung zur Entwicklung einer Atombombe zu organisieren, die als Manhattan-Projekt bekannt ist.

Naiverweise äußert sich Oppenheimer offen über seine linken Verbindungen und die seiner Kollegen, seine Unterstützung für die spanischen Republikaner in den 1930ern und seine „Mitläufer-Beziehung“ zur Kommunistischen Partei Amerikas (die so eng war, dass weiterhin darüber debattiert wird, ob Oppenheimer jemals Mitglied war – sein Bruder, seine Schwägerin, seine Frau und seine Geliebte waren es mit Sicherheit). Jedenfalls besteht Groves darauf, dass Oppenheimer von entscheidender Bedeutung für das Projekt ist und erteilt ihm die nötige Sicherheitsfreigabe.

Weil Oppenheimer und Groves davon überzeugt sind, dass die Nazis bei der Entwicklung dieser Massenvernichtungswaffe 18 Monate Vorsprung vor den USA und Großbritannien haben, stellen sie ein internationales Team von Top-Wissenschaftlern und -Ingenieuren zusammen, um „mitten im Nirgendwo“ in New Mexico eine Stadt mit Tausenden von Einwohnern aufzubauen. Hier entwickelt sich Oppenheimer zum „Vater der Atombombe“.

Ein angesehener Physiker, der sich nicht daran beteiligen will, ist Niels Bohr (Branagh). Er erklärt: „Sie sind der Mann, der ihnen die Macht gegeben hat, sich selbst zu zerstören, und die Welt ist darauf nicht vorbereitet.“

Oppenheimer entwickelt sich zu einem selbstbewussten, hoch angesehenen Anführer und Organisator des Projekts. Wie fast alle seine Kollegen ist er davon überzeugt, dass die Bombe gegen Deutschland eingesetzt werden wird, um den Krieg in Europa zu beenden. Doch angesichts des sowjetischen Vorstoßes auf Berlin und Hitlers Selbstmord Ende April 1945 kapituliert Deutschland. Oppenheimer, der sich mittlerweile voll und ganz für die Entwicklung der Bombe einsetzt, wird zu einem begeisterten Befürworter für den Abwurf auf Japan. Tatsächlich spricht er sich sogar dafür aus, sie auf eine Großstadt abzuwerfen, damit sie möglichst viele Opfer fordert – in der vergeblichen Hoffnung, dass eine Bombe alle Kriege für immer beenden wird.

Angesichts des ständigen Drucks, die Entwicklung der Bombe zu forcieren, wählen Oppenheimer und seine Mitarbeiter den 16. Juli 1945 als Datum für den ersten Test mit dem Codenamen Trinity, wohl auch damit Präsident Harry Truman dem sowjetischen Führer Joseph Stalin auf der Potsdamer Konferenz, die am nächsten Tag beginnen soll, mit der Macht der Atombombe drohen kann.

In gewisser Weise wird die Dramatisierung des Trinity-Tests zu einem unbefriedigenden Ersatz für die Darstellung der tatsächlichen Bombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und deren Folgen. Es ist jedoch trotzdem eine schreckenerregende Szene.

Die unheimliche Filmmusik des jungen schwedischen Komponisten Ludwig Göransson, die die ineinander verschachtelten Geschichten vorantreibt, führt zu einem extrem angespannten Moment völliger Stille, als der Blitz der gewaltigen Detonation noch vor dem Ton eintrifft. Das ist der Stoff, aus dem Alpträume entstehen. Die Autoren von American Prometheus schreiben: „Sie wussten, dass das Gerät nach Trinity zu einer Waffe geworden war und dass Waffen vom Militär kontrolliert werden.“ Oppenheimers Stimmung beginnt zu kippen.

Ein beunruhigendes Trommeln dröhnt untergründig, bis es zum Stampfen von Hunderten von Füßen wird: in Los Alamos wird der Feuertod von zehntausenden Menschen in Hiroshima am 6. August 1945 gefeiert. Oppenheimer steigt auf ein Podium, um eine stockende Rede zu halten: „Die Welt wird sich an den heutigen Tag erinnern...“, dann versagt ihm die Stimme. Er bemerkt kaltblütig, welchen Erfolg die Bombe auch immer gehabt haben mag, „ich bin mir sicher, dass es den Japanern nicht gefallen hat“. Die Menge jubelt.

Matt Damon und Cillian Murphy

Doch bald schlägt die Stimmung der Szene um. In einer weiteren künstlerischen Entscheidung hat Nolan dankenswerterweise beschlossen, das Grauen der Bombardierung durch Oppenheimers Visionen von zehntausenden Toten in Japan, von verkohlten Leichen und sich ablösender Haut darzustellen. Die Feier in Los Alamos verwandelt sich in eine sich windende Masse von weinenden und erbrechenden Männern und Frauen. Laut Kai Bird steckt in dieser Schilderung der Szene jener Nacht in New Mexico viel Wahrheit.

Eine Woche nach dem Bombenabwurf auf Nagasaki äußert Oppenheimer in einem Brief an Kriegsminister Henry Stimson den Wunsch nach einem Verbot von Atomwaffen. Im Oktober 1945 findet eine bekannte Begegnung zwischen Oppenheimer und Truman (Gary Oldman) im Oval Office statt. Oppenheimer versucht, den Präsidenten davon zu überzeugen, das Wettrüsten endgültig zu beenden. Oppenheimer erklärt: „Ich habe das Gefühl, ich habe Blut an meinen Händen.“ Doch Truman wirft ihn raus und erklärt: „Ich will diese Heulsuse von Wissenschaftler nie wieder sehen.“

Oppenheimer ist jetzt der bekannteste und meistgeachtete Wissenschaftler Amerikas. Aber der Kalte Krieg hat bereits mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begonnen. Das Kriegsbündnis mit der UdSSR ist beendet und damit auch die vorübergehende Amnestie für Wissenschaftler und Künstler, die früher oder noch immer Sympathien für den Stalinismus hegten oder hegen. Oppenheimers politische Vergangenheit und die seiner Mitarbeiter und Verwandten werden plötzlich erneut unter die Lupe genommen. Er gerät in Konflikt mit den rechtesten Elementen der amerikanischen herrschenden Elite, die auf einen „Rollback“ gegen die Sowjetunion und China drängen, der auch den präventiven Einsatz von Atomwaffen umfasst. Der Widerling Edward Teller (Benny Safdie), der sich mittlerweile für die Entwicklung der noch mächtigeren Wasserstoffbombe stark macht, wird einer von Oppenheimers Gegnern.

Die Szenen bei der geschlossenen Anhörung der AEC von 1954, bei der Oppenheimer die Sicherheitsfreigabe entzogen wird und er in den Augen der bürgerlichen öffentlichen Meinung in Ungnade fällt, sind an sich schon enervierend. Nolan stellt die Vernehmungsbeamten als autoritäre und prinzipienlose Demagogen dar. Der ganze Prozess untergräbt die offizielle Darstellung des Amerikas der 1950er-Jahre als „Führer der freien Welt“. Im Gegenteil, der amerikanische Staat wird als durchsetzt von Quasi- oder Möchtegern-Faschisten dargestellt.

Die drei Ankläger der Regierung nehmen Oppenheimer, seine Frau und Kollegen – Freunde wie Feinde – in einer bösartigen Hexenjagd im Stile McCarthys in die Mangel, schikanieren ihn, schüchtern ihn ein und stellen ihm Fallen. Wir erfahren, dass das FBI seit 1938 eine Akte über Oppenheimer führt, sein Telefon und seine Unterhaltungen abhört und ihn und seine Mitarbeiter bei Treffen und gesellschaftlichen Anlässen verfolgt. Als sein Anwalt (Macon Blair) Einsicht in die Unterlagen verlangt, wird ihm dies verweigert. Der Regierungsvertreter, der diesen Schauprozess hinter den Kulissen leitet, ist der Reaktionär Strauss in seiner Eigenschaft als Beauftragter der Atomic Energy Commission.

Nolans Film lehnt die McCarthy-Methoden der Hexenjagd auf Wissenschaftler, denen Illoyalität und Spionage für die Sowjetunion vorgeworfen wurde, deutlich ab, und damit stillschweigend auch die gleiche Hexenjagd auf Regisseure, Autoren und Schauspieler in Hollywood, die ebenfalls Opfer des erbitterten Antikommunismus der 1950er wurden. Trotz aller Anstrengungen von FBI-Chef J. Edgar Hoover und Strauss' AEC wurde Oppenheimer nie der Spionage für die Sowjetunion beschuldigt. Damals betrachtete er, wie Millionen andere in den USA, die Sowjetunion als Verbündeten. Die amerikanischen Stalinisten unterstützten den Krieg und das amerikanisch-sowjetische Bündnis im Interesse der Kreml-Politik.

Man muss Nolan auch zugute halten, dass er viele der gewichtigen historischen Fragen in Oppenheimers Leben mit Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit behandelt. Zudem werden die Szenen, die das linksintellektuelle Leben der 1930er und 1940er zeigen, mit Aufrichtigkeit, Detailtreue und ohne eine Spur von Antikommunismus dargestellt. Besonders bewegend ist das unglückliche Leben und der Tod von Jean Tatlock (Pugh) ist.

Die Schwierigkeiten des Films ergeben sich teilweise aus der Entscheidung des Regisseurs, einen Großteil der Geschichte durch die Augen seines Protagonisten zu erzählen, sodass das Publikum dazu animiert wird, zu denken und zu fühlen wie der fiktive Oppenheimer auf der Leinwand. Das drückt sich auch in Nolans Entscheidung aus, das Drehbuch in der ersten Person (d.h. aus Oppenheimers Blickwinkel) zu schreiben. Abgesehen von den Ereignissen um Strauss im Jahr 1958, die in Schwarz-Weiß dargestellt werden, ist Oppenheimer in nahezu jeder Szene zu sehen.

Notwendig wäre eine strengere und objektivere Betrachtung des Wissenschaftlers und Politikers. Die Arbeiterklasse kann Oppenheimer nicht als einen ihrer Helden übernehmen. Er hegte zwar in den späten 1930ern ernsthaft linke Ansichten, wurde jedoch eine einflussreiche Persönlichkeit im amerikanischen Militär- und Geheimdienstapparat. Dass die „Linke“ in Amerika, und sogar an erster Stelle die Kommunistische Partei, die Einäscherung von Hiroshima und Nagasaki bejubelte, und dass Oppenheimer mehr oder weniger nahtlos von Roosevelt-freundlicher Volksfrontpolitik zur direkten Teilnahme an der Kriegsmaschinerie übergehen konnte, entschuldigt seine Rolle nicht.

Laut American Prometheus sprach sich Oppenheimer Anfang der 1950er zwar „nicht für den Einsatz von Atomwaffen im Koreakrieg aus“, argumentierte aber dennoch, „dass ,offensichtlich Bedarf‘ an kleinen taktischen Atomwaffen besteht, die auf dem Schlachtfeld eingesetzt werden können... Oppenheimers Präferenz für taktische Atomwaffen als Gegenmittel gegen völkermörderische Kriegsführung hatte unbeabsichtigte Folgen. Wenn er ,die Schlacht wieder auf das Schlachtfeld zurückbrachte‘, machte er es auch wahrscheinlicher, dass Atomwaffen tatsächlich zum Einsatz kommen würden.“

Dass Nolan Oppenheimers Rolle im Manhattan-Projekt zumindest bis zur Kapitulation der Nazis im Mai 1945 positiv darstellt, ergibt sich aus einem Missverständnis über den Zweiten Weltkrieg, wie die WSWS schrieb: aus der Vorspiegelung „ein vereintes und demokratisches Amerika führt Krieg gegen ein unvorstellbares, fremdes Böses“.

Obwohl Millionen „mit der Absicht in den Krieg zogen, um Hitler und den Faschismus zu besiegen, war der Zweite Weltkrieg seinem sozialen und wirtschaftlichen Wesen nach dennoch ein imperialistischer Krieg, ein Kampf zwischen Großmachtblöcken um die Aufteilung und Neuaufteilung der Welt“. Der amerikanische Kapitalismus mit seiner enormen industriellen Stärke und seine Reserven „konnte sich Roosevelts Reformexperimente in den 1930ern leisten, aber deshalb wurden die Kriegsziele der amerikanischen herrschenden Elite oder ihre Pläne für die Nachkriegswelt nicht weniger räuberisch oder verbrecherisch“.

Albert Einstein (Tom Conti) und J. Robert Oppenheimer (Cillian Murphy)

Dies zeigte sich teilweise an der brutalen, blutigen Weise, mit der die USA und ihre Verbündeten den Krieg führten, darunter die schrecklichen Brandbombenangriffe auf Dresden und auf Tokio und andere japanische Städte 1945, die hunderttausende zivile Todesopfer forderten, und natürlich die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.

Oppenheimers emotionale und intellektuelle Reaktion auf seine Arbeit am Manhattan-Projekt hat ihm nach dem Krieg zunehmend zu schaffen gemacht, aber er hat sich nie entschuldigt oder Reue gezeigt. Der Abwurf der Atombombe auf Japan war ein Kriegsverbrechen, an dem er voll und ganz beteiligt war. Er hatte tatsächlich Blut an seinen Händen.

Der Historiker Gabriel Jackson hat zu Recht argumentiert: „Der Einsatz der Atombombe hat gezeigt, dass ein psychologisch sehr normaler und demokratisch gewählter Regierungschef die Waffe genauso benutzen könnte, wie der Nazi-Diktator sie benutzt hätte. Auf diese Weise haben die USA – in den Augen eines jeden, der sich mit den moralischen Unterschieden der verschiedenen Regierungsformen befasst – den Unterschied zwischen Faschismus und Demokratie verwischt.“

Nur eine politische Tendenz verurteilte den Krieg als imperialistisches Gemetzel und Kampf um die globale Dominanz. Der Militant, das Organ der Socialist Workers Party, der damaligen trotzkistischen Bewegung in den USA, veröffentlichte nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki eine Ausgabe mit dem Titel: „ES GIBT KEINEN FRIEDEN! Nur der internationale Sozialismus kann die Menschheit vor der atomaren Vernichtung in einem weiteren imperialistischen Krieg retten! Arbeiter Amerikas! Ihr müsst die Macht in die eigenen Hände nehmen!“

Anlässlich des 75. Jahrestags des Atombombenabwurfs auf Hiroshima zitierte die World Socialist Web Site den Kommentar des damaligen Führers der trotzkistischen Bewegung, James P. Cannon, vom 22. August 1945:

In zwei kalkulierten Schlägen, mit zwei Atombomben, tötete oder verletzte der amerikanische Imperialismus eine halbe Million Menschen. Die Jungen und die Alten, das Kind in der Wiege und die Alten und Kranken, die frisch Verheirateten, die Gesunden und die Kranken, Männer, Frauen und Kinder – sie alle mussten durch zwei Explosionen sterben wegen einer Auseinandersetzung zwischen den Imperialisten der Wall Street und einer ähnlichen Bande in Japan… Welch’ unaussprechliche Grausamkeit! Welch’ eine Schande ist über Amerika gekommen, über Amerika, das einst im Hafen von New York eine Freiheitsstatue errichtete, die die Welt erleuchtete. Nun schreckt die Welt in Furcht vor ihrem Namen zurück. ...

Vor langer Zeit sagten die revolutionären Marxisten, dass die Alternative, vor der die Menschheit steht, entweder der Sozialismus oder eine neue Barbarei sei, dass der Kapitalismus in Trümmern zu versinken und die menschliche Zivilisation mit sich in den Abgrund zu reißen droht. Aber im Lichte dessen, was sich in diesem Krieg entwickelt hat und sich in der Zukunft abzeichnet, denke ich, dass wir nun feststellen können, dass die Alternative noch präziser formuliert werden kann: Die Alternative, vor der die Menschheit steht, ist Sozialismus oder Vernichtung! ...

Christopher Nolan hat erklärt, die Wissenschaftler, die heute an künstlicher Intelligenz arbeiten, würden momentan ihren „Oppenheimer-Moment“ erleben. Doch die gesamte Weltbevölkerung hat über 75 Jahre im Schatten von Oppenheimers Vermächtnis gelebt. Nolan ist sich dessen durchaus bewusst, und obwohl er Didaktik meidet, hat der Schluss des Films, den er als „abschreckendes Beispiel“ bezeichnet, eine recht eindeutige Botschaft.

Der Film kehrt zu einer immer wiederkehrenden rätselhaften Begegnung zwischen Albert Einstein und Oppenheimer an der Universität Princeton nach dem Krieg zurück. Als die Unterhaltung schließlich gezeigt wird, spricht Oppenheimer davon, er habe Einstein wegen einer anfänglichen Befürchtung seines Wissenschaftlerteams konsultiert, dass es bei ihren Tests zu einer Kettenreaktion kommen könne, welche die gesamte Atmosphäre in Brand setzt.

Er sagt zu dem großen Wissenschaftler und Kämpfer für Frieden und Sozialismus: „Als ich mit diesen Berechnungen zu Ihnen kam, dachten wir, wir würden möglicherweise eine Kettenreaktion in Gang setzen, welche die gesamte Welt zerstören könnte... Ich glaube, das haben wir getan.“

Nolan und Oppenheimer verdienen Anerkennung dafür, die Schrecken der Atomwaffen und die Gefahr zu enthüllen, die sie angesichts des Todeskampfs des Kapitalismus für die Menschheit darstellen.

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