Schrankenloser Krieg droht in Niger und Westafrika

Niger droht ein katastrophaler Krieg mit seinen Nachbarstaaten. Am Sonntag lief ein Ultimatum der 15 Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) an die Putschisten in Niger aus, in dem sie aufgefordert wurden, den abgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einzusetzen, anderenfalls müssten sie mit einer militärischen Intervention rechnen. Damit würden die ECOWAS-Staaten als Stellvertretertruppen der imperialistischen Großmächte unter der Führung Frankreichs und der USA agieren, um die Kontrolle über das verarmte, aber rohstoffreiche Land zu sichern.

Berichten zufolge werden sich die Staats- und Regierungschefs der ECOWAS-Mitgliedsstaaten am Donnerstag in nigerianischen Hauptstadt Abuja treffen, um über das weitere Vorgehen beraten.

Bazoum, dessen Wahl im Jahr 2021 der erste demokratische Machtwechsel in Niger seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 war, wurde am 26. Juli von General Abdourahmane Tchiani, dem Befehlshaber der Präsidentengarde, abgesetzt. Am späten Montagabend ernannte ein Sprecher der Militärjunta in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung den Ökonomen Ali Mahaman Lamine Zeine zum neuen Premierminister.

Die militärischen Befehlshaber der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) ohne Mali, Burkina Faso, Tschad, Guinea und Niger posieren für ein Gruppenfoto bei ihrem außerordentlichen Treffen zur Situation in Niger. Abuja (Nigeria), 4. August 2023 [AP Photo/Chinedu Asadu]

Bazoum, der im Präsidentenpalast unter Hausarrest steht, forderte die USA und die „ganze internationale Staatengemeinschaft“ in der Washington Post auf, bei der „Wiederherstellung... der verfassungsmäßigen Ordnung“ zu helfen. Er warnte vor der Ausweitung der Militärherrschaft in der Sahelzone und dem zunehmendem Einfluss Russlands, wenn Niger dem Beispiel seiner Nachbarstaaten Mali und Burkina Faso folgt, die französischen Streitkräfte ausweist und sich stattdessen um Unterstützung an die russische Söldnergruppe Wagner wendet.

Mittlerweile befinden sich in Niger und Tschad die letzten französischen Militärbasen in der Region. Der Anteil der imperialistischen Mächte am internationalen Handel Afrikas ist in den letzten 20 Jahren von zehn auf fünf Prozent gesunken.

Tchiani und die Präsidentengarde haben Bazoum offenbar aus eigenem Antrieb abgesetzt. Da Bazoum den Stabschef der Armee entlassen und andere Militärführer gezwungen hatte, in den Ruhestand zu treten, fürchtete Tchiani, er könne als nächster an der Reihe sein. Allerdings gewannen sie im Verlauf des Putsches die Unterstützung des Militärs und konnten mit Appellen an die Opposition gegen die ehemalige Kolonialmacht Frankreich und deren Militärpräsenz in der Region auch Unterstützung in der Bevölkerung gewinnen.

Die Putschisten stellten sich an die Seite der Militärjuntas in Mali und Burkina Faso, indem sie Paris für die regionalen Konflikte und das eskalierende Blutvergießen in der Sahelzone verantwortlich machten. Berichten zufolge haben sie Hilfe von der Wagner-Gruppe angefordert und General Salifou Mody nach Mali geschickt. Mody warnte in einer Fernsehansprache in Niger vor einer Militärintervention und kündigte an, Niger werde alles Notwendige tun, um „kein zweites Libyen“ zu werden.

Durch den Kampf zwischen regionalen Eliten, die als Stellvertreter der Großmächte um Macht und Kontrolle über wichtige Rohstoffe ringen, droht nicht nur die Destabilisierung von Niger, sondern der gesamten Sahelzone – dem breiten Streifen vom Atlantik bis zum Roten Meer, der die Sahara durchquert und Senegal, Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria, Tschad, Sudan und Eritrea umfasst. Die Region, die bereits Opfer zahlloser Konflikte und sozialer Unruhen ist und von Armut, Dürre und Klimawandel geplagt wird, wurde zum Schauplatz des Kampfs der Großmächte um Einfluss und Kontrolle. Frankreich, die USA, Deutschland und die Europäische Union, die Golfstaaten, die Türkei, Russland und China wollen alle von den immensen Bodenschätzen profitieren, die für die moderne Industrie so entscheidend sind.

Westafrika [Photo by PirateShip6 / CC BY-SA 4.0]

Der „Wettlauf um die Sahelzone“ führt dazu, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Region, die zu den niedrigsten im Human Development Index der Vereinten Nationen gehört, den räuberischen Forderungen der transnationalen Konzerne und Finanzinstituten sowie deren lokalen Handlangern unterworfen wird, die Konflikte zwischen Ethnien, Stämmen und Religionen schüren, um die Bevölkerung zu spalten und zu beherrschen.

Die imperialistischen Mächte führen Kriege und Interventionen unter dem von ihnen erklärten Ziel, „islamistische Aufständische zu bekämpfen“. Dabei unterschlagen sie die Tatsache, dass die islamistischen Aufständischen, die verheerendes Chaos in der Sahelzone anrichten, daraus hervorgegangen sind, dass Washington und seine Verbündeten sie im US-Nato-Krieg gegen Libyen 2011 als Stellvertretertruppen benutzt haben. Nach der Zerstörung der libyschen Gesellschaft und der Ermordung des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi verteilten sich die islamistischen Kämpfer über ganz Nordafrika und die Sahelzone.

Diese Ereignisse, die sich in Afrika und dem Nahen Osten dutzende Male wiederholt haben, belegen die grundlegende Korrektheit von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution: Die ehemaligen Kolonialvölker können keine ihrer grundlegendsten Bedürfnisse – Freiheit von imperialistischer Unterdrückung, Land, demokratische Rechte, Arbeitsplätze und soziale Gleichheit – unter der Führung irgendeines Teils der nationalen Bourgeoisie erreichen.

In der Epoche des Imperialismus müssen die grundlegenden demokratischen und nationalen Aufgaben der unterdrückten Völker, die im 17. und 18. Jahrhundert mit dem Aufstieg der Bourgeoisie verbunden waren, in den unterdrückten ehemaligen Kolonien durch die Machtübernahme der Arbeiterklasse vollendet werden. Dies muss Teil eines Kampfs für Sozialismus in ganz Afrika und weltweit sein.

Nach Tchianis Machtübernahme verhängte die ECOWAS sofort Sanktionen und eine Flugverbotszone, ließ die Grenzen zu dem Binnenstaat schließen und drohte mit einer Intervention, wenn Bazoum nicht bis Sonntag wieder ins Amt eingesetzt würde. Allerdings wurde eine Militäraktion als „letztes Mittel“ bezeichnet. Nigeria, von dem Niger 70 Prozent seines Stroms bezieht, unterbrach die Stromzufuhr zu seinem Nachbarland.

Frankreich, die Europäische Union, die USA und der UN-Sicherheitsrat verurteilten mit der Unterstützung Russlands und Chinas den Putsch. Internationale Hilfsprogramme für Niger, die zum Teil darauf abzielen, afrikanische Migranten daran zu hindern, das Land als Transitroute nach Europa zu benutzen, wurden ausgesetzt. Von den 24 Millionen Einwohnern Nigers sind etwa zehn Millionen von humanitärer Hilfe abhängig, während die Regierung 40 Prozent ihres Staatshaushalts aus Entwicklungshilfe bezieht.

Während Russland den Putsch verurteilt hat, unterstützte Wagner-Führer Jewgeni Prigoschin ihn: „Was in Niger passiert, ist ein Kampf der Bevölkerung gegen die Kolonisatoren.“

Die Putschisten in Niger wiesen die Forderungen der ECOWAS zurück und bezeichneten die Sanktionen als „illegal“ und „unmenschlich“. Sie warnten, sie würden auf jede „Aggression oder versuchte Aggression“ sofort reagieren.

In der Hauptstadt Niamey, in Agadez am Rand der Sahara und in Tchianis Heimatstadt, Filingue, kam es zu Demonstrationen von Anhängern des Putsches, die „Nieder mit Frankreich“ und „Lang lebe Russland, lang lebe [Wladimir] Putin“ riefen. Wenige Tage zuvor waren tausende Anhänger der Putschisten mit russischen Flaggen durch Niamey gezogen und hatten versucht, die französische Botschaft zu stürmen. Frankreich und andere imperialistische Mächte evakuierten hunderte ihrer Staatsbürger.

Niger [Photo by Peter Fitzgerald / CC BY-SA 4.0]

Noch vor Bazoums Aufruf zu einer Intervention des Auslands hatten die Putschisten angekündigt, Niger werde die 1977 und 2020 geschlossenen Abkommen über militärische Zusammenarbeit mit Frankreich aufkündigen. Das Land werde außerdem seine Botschafter in Frankreich, den USA, Nigeria und Togo abberufen. Die Militärbehörden haben die Sender France24 und Radio France Internationale blockiert.

Die Verteidigungsminister der ECOWAS-Staaten trafen sich am Freitag in der nigerianischen Hauptstadt Abuja, um ihre Pläne für eine Intervention endgültig festzulegen. Ihre Optionen – ein Einmarsch mit Bodentruppen oder eine Art Gegenputsch, um Bazoum wieder an die Macht zu bringen, werden allesamt die Instabilität verstärken, nicht zuletzt in ihren eigenen Ländern. Der nigerianische Senat, der einen Einmarsch mit Bodentruppen genehmigen muss, hat die Forderung von Präsident Bola Tinubu nach der Entsendung nigerianischer Truppen nach Niger abgelehnt, noch während eine Delegation der ECOWAS in Algerien und Libyen um Unterstützung warb. Stattdessen fordert die Resolution des nigerianischen Senats weitere Bemühungen um eine diplomatische Lösung.

Der Senegal erklärte am Donnerstag, er werde der ECOWAS Soldaten zur Verfügung stellen, falls diese beschließen sollte, in Niger militärisch zu intervenieren. Mali und Burkina Faso, die derzeit aus der ECOWAS suspendiert sind, erklärten, sie würden jede Intervention in Niger als kriegerische Handlung einstufen.

Frankreich unterhält etwa 1.500 Soldaten zur „Terrorismusbekämpfung“ sowie einen Luftwaffenstützpunkt mit Kampfjets und Angriffsdrohnen in Niger. Paris weigerte sich, jemand anderen als Bazoum als Autorität anzuerkennen und unterstützt die ECOWAS.

Eine Zivilregierung, die von derlei Kräften an die Macht gebracht würde, wäre niemals in der Lage, die enormen sozialen und wirtschaftlichen Probleme der nigrischen Arbeiter und ländlichen Massen zu lösen. Niger ist nur die jüngste Front in einem zunehmenden Kampf um die Neuaufteilung der Welt, ihrer Märkte und Rohstoffe. Derzeit steht im Mittelpunkt dieses Kampfs der De-facto-Krieg der Nato gegen Russland in der Ukraine, der zu immer schärferen Spannungen zwischen den USA und China führt und zu einem globalen Konflikt zu eskalieren droht.

Der einzige Weg, wie die Offensive des Militärs und die Machenschaften der imperialistischen und regionalen Mächte bekämpft und ein demokratisches Regime in Niger errichtet werden kann, ist ein Kampf unter der Führung der Arbeiterklasse mit einer revolutionären sozialistischen Perspektive.

Das bedeutet, dass Arbeiter die Macht übernehmen und die unrechtmäßig erworbenen Reichtümer des Regimes und der transnationalen Konzerne enteignen und dafür einsetzen müssen, grundlegende soziale Bedürfnisse zu erfüllen, zusammen mit einem breiten internationalen Kampf der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen gegen den Kapitalismus. Dies erfordert den Aufbau einer Sektion des Internationalen Komitees der Vierten Internationale in Niger und allen Ländern der Sahelzone sowie in Nord- und Westafrika.

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